Von 1848 bis zum Regierungsantritt Wilhelms I. 131
Wahlen zu einem deutschen Parlament anordnete. Zunächst trat noch am 31. März
das Vorparlament (bestehend aus 500 Mitgliedern) zusammen. Hier bean-
tragte der badische Demokratenführer Hecker^ die Republik auch für Deutsch-
land. Doch hielt die Mehrheit an der Monarchie fest. Mittlerweile hatten die
Wahlen zur ersten deutschen Nationalversammlung stattgefunden, die 1848
am 18. Mai 1848 in der Paulskirche zu Frankfurt zusammentrat. Sie be-
stand aus 600 der besten und begabtesten Männer des deutschen Volks. Präsident
war p. v. Gagern. Die erste Sitzung begann mit einer Huldigung an den
Abgeordneten E. M. Arndt und einer Eröffnungsrede Gagerns, worin er aus-
eiuaudersetzte, daß der Beruf und die Bollmacht dieser Nationalversammlung zur
Schaffung einer Verfassung für Deutschland und das gesamte Reich in der Suve-
ränität (dem Selbstbestimmungsrecht) des Volkes lägen. Die Sitzungen selbst
waren äusterst stürmisch. Schließlich einigte man sich in der Schaffung des Postens
eines Reichsverwesers, dem ein Reichsministerium zur Seite gegeben
wurde. Doch war die Rolle dieses Reichsverwesers, ErzherzogsJohann von
Österreich, eine unglückliche. Man huldigte ihm zwar allmählich in allen
Staaten, allein er war eben doch kein deutscher Kaiser. Sodann setzte dieses erste
Parlament die deutschen Grundrechte2 fest und handelte im Zusammenhang da-
mit auch über die Teilungen Polens, die schon verschiedene Abgeordnete des
Vorparlaments als „ein schmachvolles Unrecht" bezeichnet und deshalb die „Wieder-
Herstellung Polens als die heiligste Pflicht des deutschen Volks" erklärt hatten,
sowie über die Wiederzulassung des Abgeordneten Hecker in das Parlament. Beides,
Polenfräge und Heckers Gesuch, wurde abgelehnt. Jnsolgedessen kam es zu einem
Straßenaufstand. Der Pöbel wollte die Paulskirche stürmen und erschlug zwei
Abgeordnete (17. September 1848). Dadurch wurde das Ansehen der deutschen
Nationalversammlung schwer geschädigt, und man konnte jetzt schon sagen, daß auch
sie die deutsche Frage nicht lösen werde. —
§ 2. Um die Lösung dieser Frage bemühten sich die Groß - und Klein-
deutschen. Jene wollten die Wiederausrichtung des deutschen Reichs mit Ein-
schlnß, letztere mit Ausschluß Österreichs. Am 28. März 1849 siegten zwar die
Kleindeutschen, indem 290 Abgeordnete den König FriedrichWilhelmIV. von
Preußen zum deutschen Kaiser wählten3 und für den April die Absendnng einer
Abordnung nach Berlin beschloffen. Allein Friedrich Wilhelm IV. lehnte eine
1 Hecker wollte nun seine Republik mit den Waffen in der Hand begründen.
Allein seine Freischärler und die seiner Gesinnungsgenossen Struve und Herwegh
wurden durch badische, hessische und württembergische Truppen rasch auseinandergejagt
(April 1848). Die ganze Unternehmung wurde selbst von ernsten Republikanern scharf
verurteilt.
2 Reichsbürgerrecht für jeden Deutschen; Freizügigkeit, Gewerbefreiheit und
Auswanderungsfreiheit; Gleichheit vor dem Gesetz und Aufhebung aller Standesunter-
schiede; Preß-, Glaubens- nnd Lehrfreiheit; Zivilehe; Versammlungs- und Vereinsrecht;
öffentliches Verfahren der Gerichte und Schwurgerichte; Beschwerderecht; Selbstver-
waltuugsrecht der Gemeinden; Ministerverantwortlichkeit. Aber auch Abschaffung der
Todesstrafe, und für die Polen und andere nicht deutsch redende Völker Deutschlands
Gewähr ihrer volkstümlichen Entwicklung.
3 248 Abgeordnete stimmen nicht ab.
397