Full text: Die deutschen Landschaften (1)

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Die deutschen Landschaften. 
das Töpfergewerbe, dem reiche Thonlager zur Verfügung 
stehen. Es hat seinen Sitz im südlichen Teile des Gebirges; 
dort liegt östlich von Neuwied, im Unter-Westerwald-Kreise, das 
sog. Kannebäckerland. 
Der im Westerwald gewonnene Thon führt den Namen Pfeifen¬ 
thon oder P f e i f e n e r d e. Er ist wie alle Thonarten aus der Zersetzung 
feldspatreicher Felsarten (Granit, Trachyt, Porphyr u. s.w.) entstanden 
und durch Wasserfluten von seiner ursprünglichen Lagerstätte weggeschwemmt 
worden. (Seine Bestandteile sind : 53,50 pCt. Kieselsäure, 29,63 Thonerde, 1—3 
Eisenoxyd und 1 — 2 Magnesia.) Dem Thon sind in grösserer oder geringerer 
Menge fein zerriebene Quarzkörner beigemengt. Er fühlt sich stets fettig an. 
Je nach dem Eisengehalte erscheint er bald weissgrau, bald gelblich 
oder rot gefärbt. Geht die Färbung in eine bla a weisse oder blauschwarze 
über, so rührt dies von Pflanzen- oder Tierübei resten her. Diese bewirken auch 
den allen Thonen gemeinsamen fauligen Geruch. Der Westerwälder Thon 
ist meistens sehr fein und gleichmässig. 
Die Werbung (d. i. Gewinnung) des Thones geschieht im Westerwald 
mittelst „R e if en s c h a c h t b e t r i e b es". Man geht in kreisrunden, mit 
starken Holzreifen ausgekleideten S c h a c h t e n bis auf den Thon nieder. Dieser 
lagert unter einer etwa 10 m mächtigen Lehm schiebt. Mit grossen, messer¬ 
artigen Werkzeugen sticht man die weiche und zähe Thonmasse ab und be¬ 
fördert sie in Kübeln nach oben. Trichterförmig werden [die Gruben 
nach unten stets erweitert, oft bis zu einer Tiefe von 15 m und einem Durch¬ 
messer von 10 m, ohne dass man sie abstützt. Letzteres ist nicht nötig, weil 
der Thon wegen seiner Zähigkeit dem auf ihn einwirkenden Drucke nur wenig 
nachgiebt. Aber ganz allmählich rücken doch die Grubenwände immer näher 
und näher zusammen (der Thon „wächst"). Die Thongräber kennen diese 
Erscheinung genau, und manchmal verlassen sie erst den Schacht, wenn seine 
Oeffnung ihnen kaum noch gestattet, hindurch zu schlüpfen. Eingesunkene Gruben, 
sowie solche, in die Wasser eingedrungen ist, lässt man verfallen. 
Ehe der Thon verarbeitet wird, muss er g e k n e t e t werden, damit er sich 
leichter formen lässt. In neuester Zeit bedient man sich hierzu der Knet¬ 
maschine. Die Verfertigung der thönernen Gefässe geschieht auf der Dreh¬ 
scheibe, die entweder mittelst der F ü s s e oder durch Maschinenbetrieb 
in Bewegung gesetzt wird. Es ist unterhaltend, zuzusehen, wie die geschick¬ 
ten Hände der Töpfer aus einem Klumpen Thon in ein paar Mi¬ 
nuten die verschiedenartigsten Gefässe formen, wie die Thonmasse 
in die Höhe wächst, wie sich die bauchigen Wände unter den) Drucke 
des gebogenen Daumens herauspressen, wie Fuss und Hals sich wieder zu¬ 
sammenschnüren und dem überraschten Auge sich bald ein Krug, eine 
Vase u. s. w. zeigt. Henkel, Ohren, Ausflussröhre u. s. w. werden 
später, wenn die Gefässe schon etwas eingetrocknet sind, angesetzt. Diese Ar¬ 
beit, sowie auch das Eingraben von Verzierungen geschiebt vielfach 
durch Frauenhände. 
Die geformte Töpferware wird in Backöfen hart gebrannt, wobei ihr 
gleichzeitig eine Salz-Glasur gegeben wird. Um den Salzanflug herzustellen, 
streut man, wenn die Gefässe bis zur Weissglut erhitzt sind, durch Oeffnungen 
im Gewölbe Salz bei. (Die Kieselsäure der Ware zersetzt unter Mitwirkimg von 
Wasserdämpfen das Kochsalz in Salzsäure und Natron und bildet mit letzterni 
kieselsaures Natron, das mit der Thonmassse auf der Oberfläche der Geschirre 
zu einer dünnen Glasur zusammenschmilzt). 
Die Töpferkunst des W este rw aides ist schon sehr alt. Ihre 
Anfänge reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Anfangs wurde nur ungi a- 
sierte und erst von der Mitte des 15. Jahrhunderts ab glasierte Ware her¬ 
gestellt. Schon im 16. Jahrhundert stand des Gewerbe in h ob er Blüte Die 
Töpferarbeiten waren vielfach von hohem künstlerischem Werte. Sie waren 
durch eingeritzte Ornamente geschmackvoll verziert und durch eine sel¬ 
tene Schönheit ihrer Färbung ausgezeichnet. Als Farben verwandte 
man meistens Blau und Violett (Blauweïk). Später, als die Töpferkunst im
	        
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