Full text: Die deutschen Landschaften (1)

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Kalchas und fragten ihn um Rat. RKalchas antwortete: „Mit 
Jen Wasfen allein werdet ihr Troja niemals erobern. Höret, 
Vas flt ein Vorzeichen ich heute geschaut habe! Ein Habicht 
gtũrzte sich auf eine Taube herab; diese aber rettete sieli vor 
ihrem Verfolger in eine enge Felsspalte, wohin der grobe Vogel 
nicht gelangen Konnte. Da versteckte sich der Habicht in ein 
dahes Gebüsseh. Das Täubchen lugte hervor, und als es den 
Faud nicht mehr sah, kam es in seiner törichten Unschuld 
aus seinem Schlupfwinkel geflattert. Aber blitzschnell schob 
der Habicht auf das Tãaubehen und mordete es erbarmungslos. 
Wohlan, ahmet dem Raubvogel nach und greifet zur List, da 
ihr mit Gewalt die trojanische Taube nicht erjagen könnt!“ 
Lange sannen die Fürsten ũber den Rat des Kalchas nach; 
doch keiner fand eine taugliche List. Da erhob sich endlich 
der kluge, erfindungsreiche Odysseus, mit strablenden Augen 
und freudig geröõteten Wangen rief er: „Ieh weiß ein Mittel, 
r Freunde! Lasset uns ein turmhohes, hölzernes Pferd bauen, 
das inwendig hohl ist und so gerãumig, dab etliche der Tapfersten 
Fon uns datin Raum haben. Diese sollen sich im Bauche des 
Pferdes verstecken, wãhrend die anderen das Lager abbrechen 
ud mit den Schiffen und aller Habe absegeln. Nicht weit von 
hier ist eine waldige Insel, hinter der sollen die Schiffe vor 
Anker legen. Sehen die Projaner ihre Feinde abziehen, so 
Vaden sie aus der Stadt herausommen und das hõlzerne Rob 
erblicken. Nun mub ein beherzter und schlauer Grieche in der 
Naue des Pferdes zurũckbleiben und sich von den PTrojanern 
erwischen lassen. Diese werden, neugierig wie sie sind, ihn um 
die Bedeutung des seltsamen Ungetüms fragen und dann soll 
er ihnen vorlũgen, wir hätten ihn aus irgend einer bösen Ab- 
sicht zurũckgelassen, und die Projaner mit listigen Vorspiege- 
lungen dazu verleiten, das Roß in ihre Stadt z2zu fahren. In 
der Nacht aber, wenn alle sorglos schlafen, sollen die darin 
versteckten Eelden heraussteigen, die Stadttore öõffnen und 
dureh ein Feuerzeichen denen, die bei der Insel warten, dies 
kund tun. Das weitere versteht sich von selber.“ 
Alle riefen dem klugen Odysseus ihren Beifall zu und 
rieten, man solle sogleich ans Werk gehen. Unter den Griechen 
Var in beraus kunstreicher Mann, mit Namen Epeus, dem 
trugen sie auf, das Pferd zu zimmern. Von den waldigen Hõhen 
des nahen Gebirges wurden die höchsten Tannenstãmme herbei⸗ 
geschleppt; alle waren beeifert, das Werk zu fördern: die einen 
dersãgten die Balken, andere schãlten die Rinde ab und glãtteten 
die Stãmme, andere höhlten sie aus, noch andere zerschnitten 
die zu Brettern. Drei Tage nur vergingen, da hatte Epeus ein
	        
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