Full text: Deutsches Lesebuch für ein- und zweiklassige Schulen

30 
Spatzen unter dem Hute hatte, und zweitens, weil er ein Grobian 
von Haus aus war. Der Amtmann aber sagte zu dem Gerichts¬ 
diener mit dem roten Kragen, welcher hinter ihm herging: „Sieh 
doch einmal, ob dem Burschen dort der Hut angeleimt ist!" Der 
Gerichtsdiener ging hin und sprach: „Hör einmal, Michel, der 
Herr Amtmann möchte einmal sehen, wie dein Hut inwendig 
aussieht. Flugs zieh ihn ab!" Der Michel aber zögerte immer 
noch und wußte nicht, wie er es machen sollte. Da riß ihm 
der Gerichtsdiener den Hut herunter, und — brr — flogen die 
Spatzen heraus nach allen Ecken und Enden. Da mußte der 
Amtmann lachen, und alle Leute lachten mit. Der Michel aber 
hieß von der Stunde an der Spatzenmichel. Wenn einer seinen 
Hut oder seine Kappe vor Fremden nicht abzieht, so sagt man 
noch heutigen Tages: „Der hat gewiß Spatzen unter dem Hute.“ 
Wilhelm Curtmau. 
>1/ 
29. Hans Lustig. 
(Gekürzt.) 
I. Wie Hans Lustig als Knabe war. 
1. Hans Lustig war armer Leute Kind, sein Vater war 
Schuhflicker, seine Mutter Wäscherin. Er war ein kleiner, breit¬ 
schulteriger Junge, etwa zwölf Jahre alt. Jeder, der ihn ansah, 
hatte seine Freude an dem muntern Jungen; denn wie aus seinen 
dürftigen Kleidern ein kräftiger, gesunder Körper, ein Paar 
braune, feste Arme hervorguckten, so schaute aus seinen Gesichts¬ 
zügen ein frischer, lustiger Sinn hervor, so daß er seinen Namen 
nicht umsonst führte. 
2. Hans Lustig hat schon als kleines Kind selten geweint, 
dagegen aber immer sehr viel gelacht. Wenn die Mutter auf 
der Bleiche Wäsche trocknete, so legte sie ihn gewöhnlich seitab 
unter einen hohen Apfelbaum. Da lag er denn ganz glücklich 
in dem weichen, hohen Grase und sah mit seinen roten Backen 
aus, als wäre er selber ein Äpfelchen, das der Baum herunter¬ 
geschüttelt. Wenn ein Schmetterling über ihn hinflog oder ein 
Vogel auf dem Baum über ihm sein Liedchen pfiff, strampelte er 
mit Händen und Besuchen vor Vergnügen um sich her, obgleich 
kein Mensch sich mit ihm abgab. Nur der gute Mohr, der alte, 
zottige Pudel des Nachbars, pflegte dann gewöhnlich dicht neben 
ihm zu liegen und ließ sich’s gern gefallen, wenn der kleine Hans 
ihn am Schwanz zauste, mit den dicken Händchen unbeholfen ihm 
vor lauter Vergnügen im Gesicht herumkrabbelte und dabei laut
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.