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Spatzen unter dem Hute hatte, und zweitens, weil er ein Grobian
von Haus aus war. Der Amtmann aber sagte zu dem Gerichts¬
diener mit dem roten Kragen, welcher hinter ihm herging: „Sieh
doch einmal, ob dem Burschen dort der Hut angeleimt ist!" Der
Gerichtsdiener ging hin und sprach: „Hör einmal, Michel, der
Herr Amtmann möchte einmal sehen, wie dein Hut inwendig
aussieht. Flugs zieh ihn ab!" Der Michel aber zögerte immer
noch und wußte nicht, wie er es machen sollte. Da riß ihm
der Gerichtsdiener den Hut herunter, und — brr — flogen die
Spatzen heraus nach allen Ecken und Enden. Da mußte der
Amtmann lachen, und alle Leute lachten mit. Der Michel aber
hieß von der Stunde an der Spatzenmichel. Wenn einer seinen
Hut oder seine Kappe vor Fremden nicht abzieht, so sagt man
noch heutigen Tages: „Der hat gewiß Spatzen unter dem Hute.“
Wilhelm Curtmau.
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29. Hans Lustig.
(Gekürzt.)
I. Wie Hans Lustig als Knabe war.
1. Hans Lustig war armer Leute Kind, sein Vater war
Schuhflicker, seine Mutter Wäscherin. Er war ein kleiner, breit¬
schulteriger Junge, etwa zwölf Jahre alt. Jeder, der ihn ansah,
hatte seine Freude an dem muntern Jungen; denn wie aus seinen
dürftigen Kleidern ein kräftiger, gesunder Körper, ein Paar
braune, feste Arme hervorguckten, so schaute aus seinen Gesichts¬
zügen ein frischer, lustiger Sinn hervor, so daß er seinen Namen
nicht umsonst führte.
2. Hans Lustig hat schon als kleines Kind selten geweint,
dagegen aber immer sehr viel gelacht. Wenn die Mutter auf
der Bleiche Wäsche trocknete, so legte sie ihn gewöhnlich seitab
unter einen hohen Apfelbaum. Da lag er denn ganz glücklich
in dem weichen, hohen Grase und sah mit seinen roten Backen
aus, als wäre er selber ein Äpfelchen, das der Baum herunter¬
geschüttelt. Wenn ein Schmetterling über ihn hinflog oder ein
Vogel auf dem Baum über ihm sein Liedchen pfiff, strampelte er
mit Händen und Besuchen vor Vergnügen um sich her, obgleich
kein Mensch sich mit ihm abgab. Nur der gute Mohr, der alte,
zottige Pudel des Nachbars, pflegte dann gewöhnlich dicht neben
ihm zu liegen und ließ sich’s gern gefallen, wenn der kleine Hans
ihn am Schwanz zauste, mit den dicken Händchen unbeholfen ihm
vor lauter Vergnügen im Gesicht herumkrabbelte und dabei laut