friedricb von Hagedorn
Iotiann, äer muntre Seifensieder.
Johann, der muntre Seifensieder,
Erlernte Viele schöne Lieder
Und sang mit unbesorgtem Sinn
Vom Morgen bis zum Abend hin.
Sein Tagwerk konnt' ihm Nahrung
bringen,
Und wann er aß, so mußt' er singen;
Und wann er sang, so war's mit
Lust,
Aus vollem Hals und freier Brust.
Beim Morgenbrot, beim Abendessen
Blieb Ton und Triller unver¬
gessen; 10
Der schallte recht, und seine Kraft
Durchdrang die halbe Nachbarschaft.
Man horcht, man fragt: Wer singt
schon wieder?
Wer ist's? Der muntre Seifensieder.
JmLesen war er anfangsschwach,
Er las nichts als den Almanach;
Doch lernt' er auch nach Jahren
beten,
Die Ordnung nicht zu übertreten,
Und schlief, dem Nachbar gleich
zu sein,
Oft singend, öfter lesend ein. 20
Er schien fast glücklicher zu preisen,
Als die berufnen sieben Weisen,
Als manches Haupt gelehrter Welt,
Das sich schon für den achten hält.
Es wohnte diesem in der Nähe
Ein Sprößling eigennütz'ger Ehe.
Der, stolz und steif und bürgerlich,
Im Schmausen keinem Fürsten wich;
Ein Garkoch richtender Ver¬
wandten,
Der Schwäger, Vettern, Nichten,
Tanten, 30
Der stets zu halben Nächten fraß
Und seiner Wechsel oft vergaß.
Kaum hatte mit den Morgen¬
stunden
Sein erster Schlaf sich eingefnnden,
So ließ ihm den Genuß der Ruh'
Der nahe Sänger nimmer zu.
„Zum Henker! lärmst du dort schon
wieder,
Vermaledeiter Seifensieder?
Ach, wäre doch, zu meinem Heil,
Der Schlaf hier wie die Austern
feil!" 40
Den Sänger, den er früh ver¬
nommen,
Läßt er an einem Morgen kommen
Und spricht: „ Mein luftiger Johann!
Wie geht es euch? Wie fangt ihr's
an?
Es rühmt ein jeder eure Ware;
Sagt, wieviel bringt sie euch im
Jahre?"