— 160
es auch in der Wiese. Es sind die Wurzeln der vielen Gräser, welche
erwacht sind, ihre Keime hervorstrecken und der Wiese ein schönes grünes
Kleid geben. Allmählich kommen die vornehmeren Bewohner der Wiese;
sie stehen etwas später auf. Aber sie kommen doch, jedoch nicht zu gleicher
Zeit, sondern einige erscheinen erst, wenn andere bereits gelebt, geblüht
haben. Wir begrüßen die alten Bekannten, die Sumpfdotterblume, das
Wiesenschaumkraut, die Kuckucksblume, das Vergißmeinnicht, das Knaben-
kraut, und wie sie alle heißen. Der Bauer geht an ihuen vorüber; er
begrüßt sie nicht, hätte sie lieber nicht hier gesehen. Er begrüßt aber
andere Bewohner, die wir noch gar nicht beobachtet und gesehen haben,
die Gräser. Die prahlen nicht mit ihren Blümelein, und doch sind sie
kunstvoll und fein gebaut; sie sehen alle gleich aus und sind doch so ver-
schieden. Der Bauer kennt sie wohl. Er redet mit ihnen uud sagt:
Wachset nun hübsch fein, werdet groß und stark; dann will ich kommen
mit meinen Leuten und euch ernten, und dann sollt ihr in meiner Scheune
wohnen! Die Gräser haben es gewiß gehört; denn wie sie wachsen?
Von Tag zu Tag werden sie länger; immer mehr Gras quillt aus dem
Erdboden hervor. Endlich ist die Erntezeit gekommen, und der Land-
mann erscheint, wie er es versprochen hat, mit seinen Knechten und Mägden.
Die Heuernte auf der Wiese beginnt. Die kleinen Vögel, die hier ihr
Nest gehabt haben, sind schon mit dem Ausbrüten ihrer Eier fertig, nnd
der Storch steht auf dem Acker und sieht zu. Er weiß, was die Leute
wollen; er hat es so oft gesehen. Die Ameisen und Spinnen arbeiten
ruhig weiter und kümmern sich um nichts. Der Frosch hüpft in den
Bach; denn man könnte ihn leicht ins Bein hauen mit der Sense. Das
abgemähte Gras bleibt einige Tage liegen, bis die obere Seite trocken ist.
Dann kommt der Landmann wieder mit seinen Leuten und kehrt mit
einer Harke, einem Rechen, die untere Seite nrch oben. Das nennt man
„Heukehren". Sobald auch diese Seite trocken ist, geht der Landmann
mit Knechten und Mägden, welche Harken und Forken mit sich führen,
nochmals auf die Wiese, um das Heu in Haufen, „Diemen", zu bringen.
Das ist ein lustiges Leben, besonders für die Kinder, welche gewöhnlich
mithelfen dürfen. Auf der Wiese angekominen, nimmr jeder eine Harke
in die Hand. Für die Kinder sind kleine Harken mitgebracht. Der
Oberknecht nimmt eine Heugabel in die Hand, und nun geht es an die
Arbeit. Die Kinder harken voran; dann folgen die Mägde ihrem Alter
nach und darauf die Knechte, auch ihrem Alter nach. Der Bauer harkt
zuletzt; er ist also der letzte in der Reihe und kann alle seine Arbeitsleute
übersehen. Jeder harkt seinen „Strich" Heu und wirft es dem zu, der