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unserer Küste von Borkum bis W a n g e r o o g nur noch sieben und
auch diese nehmen fortwährend ab. Borkum mar einst 20 Quadrat¬
meilen groß; später bahnte sich die Osterems durch die Insel einen
breiten Weg und riß ein großes Stück davon ab, welches darauf
sich in die drei Stücke Buise, Bant und Ju ist auflöste, von denen
Buise seit 1657, Bant seit 1743 gänzlich verschwunden sind, wäh-
rend Juist so starken Abbruch erleidet, daß seine Kirche seit noch
nicht 200 Jahren viermal hat versetzt werden müssen. Und diese
Abspülung der nur aus lockerem Sande bestehenden Inseln dauert
bis aus den heutigen Tag fort.
Indem nun das Meer durch die immer breiter werdenden
Oeffnungen zwischen den Inseln ungehinderten Zugang zur Marsch
fand, fieng es hier an zu zerstören, was es in den vorhergegangenen
ruhigeren Zeiten gebaut hatte. Viel Land ist auf solche Weise
wieder verloren gegangen, bis die Bevölkerung sich entschloß, durch
Erbauung von Deichen an der Mündung der Flüsse und längs der
Küste hin das noch vorhandene zu schützen. Es scheint, als ob man
schon im frühen Mittelalter mit solchen Arbeiten begonnen habe.
Dieselben konnten natürlich nicht das Werk eines einzelnen sein,
sondern das Volk that sich districtsweise zusammen und vertheilte
die Arbeit des Deichens unter sich nach der Größe des Besitzthums
eines jeden; dabei wurden Schleusen, die sogenannten Siele, ge-
baut, um den kleineren Binnengewässern einen Abfluß zum Meere
oder zum Flusse zu ermöglichen. Zur Beaufsichtigung während der
Arbeit und zur Ueberwachung des vollendeten Werks wählten die
Theilnehmer aus ihrer Mitte eigene Richter. Eine solche Vereini-
gung zu gemeinsamer Arbeit nannte man, wie sie jetzt noch heißt,
eine Deichacht oder D e i ch b a n d, ihre Statuten Deichordnung
oder Deich recht und die gewählten Richter und Leiter der Arbeit
Deichgräsen oder Deichrichter. Die Deichordnungen waren
außerordentlich streng, aber man trug diese Strenge gern, denn man
hatte sich selber die segensreichen Gesetze gegeben. Wer Bäume, die
zum Schutze des Deichs gepflanzt waren, beschädigte, dem wurde die
Hand abgehauen; wer seine Deichstrecke in schlechtem Zustande hielt,
so daß diese zum Verderben des Landes einbrach, der wurde leben-
dig mit sammt dem Holz und den Steinen seines Hauses darin be-
deicht; wer muthwilliger oder boshafter Weife den Deich beschädigte,
der wurde verbrannt. Heute gelten zwar diese Gesetze nicht mehr,
aber noch immer besteht das Ämt der Deichgräsen, und wenn auch
jetzt königliche Beamte bei dem Deichwesen zugezogen werden, so be-
ruht dasselbe doch dem Wesen nach noch immer wie in den alten
Zeiten auf dem segensreichen Grundsatz der Selbstverwaltung.
Anfangs waren die Deiche noch recht niedrig und schwach, und
daher kamen häufig gewaltige Überschwemmungen vor, von deren
Furchtbarkeit man sich jetzt kaum einen Begriff machen kann. So
wurden z. B. im 18. Jahrhundert durch mehrfache Ueberschwemmun-
gen an der Ems 7 Quadratmeilen Landes mit 54 Ortschasten,
darunter die Stadt Torum, zerstört und der Busen des Dollart
gebildet; auf gleiche Weife bildete sich in demselben Jahrhundert
der Jadebusen an der Küste von Oldenburg. — Aber das tapfere