Full text: Die Lande Braunschweig und Hannover

Gewiß erkannte die Kirche schon im löten Jahrhunderte ihre 
Schäden an, und seit dem Austreten von Huß arbeitete sie selbst an 
der für nothwendig erkannten Besserung ihrer Einrichtungen. Aber 
ihre Krankheit ließ sich mit den ihr eigenen Kräften nicht heilen; sie 
konnte sich nicht aus sich selbst verjüngen und das einzige Heilmittel, 
bedingungslose Rückkehr zum Worte Gottes, konnte und mochte sie nicht 
anwenden: sie hätte sich entweltlichen müssen, und das stand ihr nicht 
an. —Auch in unserem Lande sind solche Versuche gemacht. Wir nennen 
namentlich denKardinal Nikolaus von Cusa (ausdem OrteCues an 
der Mosel), der umsJahr 1451 das Bisthum Hildesheim besuchte und 
sich mit der Verbesserung der Klosterzucht beschäftigte. Ihm als Deut- 
schen entgieng auch nicht die tiefe Unwissenheit des Volkes. Auf seinen 
Befehl wurden in den Kirchen Tafeln aufgehängt, auf welchen in deut- 
scher Sprache das Vaterunser, der Glaube, die zehn Gebote und der 
englische Gruß geschrieben waren. Eine davon, aus der Lambertikirche 
stammend, wird noch jetzt im Hildesheimer Museum gezeigt. Es heißt 
darauf u. a. 
Dit synt de hilgen X Bode Goddes. 
Boven alle Ding hebbe lef dynen God. 
Nicht idel noch in Spott. 
Vire de hylgen Dage alle Gader. 
Ehre Moder und Yader. 
Mydt Willen eder myt Werke sla nemende dot. 
Stel nicht, viel hestn Not. 
Buten dem Echte do nene Unkuscheyt. 
Begere nemedes Beddegenoet, 
Noch mit Unrechte nemedes Goet. 
We nicht enhalt desse teyn Gebot, 
De mach nymmer komen to Godt. 
Gleichzeitig lebte in Hildesheim als Prior des Klosters zur Sülte 
Johann Busch, ein Holländer aus Zwolle, der zum Priester in Köln 
geweiht und 1440 nach Hildesheim in sein Amt berufen, von den ver- 
schiedensten Bischöfen den Auftrag erhielt, die Klöster ihres Sprengels 
zu reformieren. So hat er, wie er selber erzählt, 6520 Meilen zurück- 
gelegt und mehr als 120 Städte und Flecken besucht. Die Schwierig- 
fetten, welche er zu besiegen hatte, waren sehr groß, und namentlich 
fand er in den Nonnenklöstern den störrigsten Widerstand. Im Kloster 
Wennigsen bei Hannover mußte Herzog Wilhelm, welcher Busch be- 
gleitete, das Thor sprengen lassen; die Nonnen hatten sich im Chore 
auf den Boden geworfen, die Arme in Gestalt eines Kreuzes aus- 
gestreckt. Sie hatten sich zugeschworen, die Regeln strengerer Zucht 
nicht zu beobachten. Der Herzog meinte, er wolle lieber, daß die 
Bischöfe von Minden und Hildesheim ihm Fehde angesagt hätten, als 
daß er mit diesen Jungfrauen kämpfen solle. Als aber die hartnäckigste 
aller bewußtlos zu Boden fiel, glaubten die Jungfrauen, der Himmel 
habe sich für die Neuerung erklärt und gaben den Widerstand auf. In 
Wienhausen mußte Busch dieAebtissin absetzen und mit Gewalt zu ihrer 
Besserung in das Kloster Derneburg führen. Bei aller Anerkennung, 
welche Busch's Eifer verdient, läßt sich aber doch nicht verkennen, daß
	        
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