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preußische Antrag die Folge gehabt zu haben, daß er nunmehr
sich eng an Oesterreich mit der ganzen Kraft anschloß, welche
die Erkenntnis eines lange gehegten Jrrthums gewährt. Er
hatte wohl nie erwartet, das Wort „Parlament" aus dem Munde
eines preußischen Ministers zu hören. Zu gleicher Zeit-strengte
Oesterreich am hannöverischen Hofe alle Kräfte an, diesen zu sich
hinüber zu ziehen, und scheint, wie aus mancherlei Anzeichen
hervorgeht, für den Fall eines Krieges mit Preußen dem Könige
für seine aktive Hülse mancherlei Versprechungen gemacht zu haben. —
Als Gegengabe gegen den preußischen Parlamentsantrag legte Oester-
reich gegen die früher mit Preußen getroffene Verabredung die
schleswig-holsteinische Frage dem Bunde zur Entscheidung vor
und berief zugleich die holsteinischen Stände ein. Darauf lies;
Preußen seine Truppen, die bisher nur in Schleswig gelegen
hatten, in Holstein einrücken, um einen Zusammentritt der Stände
unmöglich zu machen, indem es zugleich am Bundestage erklärte,
die schleswig-holsteinische Frage nur mit einer Buudesgewalt ver-
handeln zu wollen, der eine parlamentarische Vertretung zur Seite
stehe. In Folge davon verließen die Oesterreicher das Herzog-
thum Holstein, welches nun ohne Widerstand von Preußen be-
setzt wurde, und die österreichische Negierung verklagte am Bunde
Preußen wegen gewalttätiger Selbsthülfe in Holstein und trug
auf Mobilmachung der gesammten Hundesarmee, die preußischen
Corps allein ausgenommen, an. Am 14. Juni 1866 nahm die
Mehrheit der Bundesgenossen den österreichischen Antrag in allen
seinen wesentlichen Punkten an, worauf der preußische Gesandte den
Bund für gebrochen erklärte, weil die Vuudesverfassung höchstens
ein Exeeutionsverfahren kenne, für welches bestimmte Regeln und
Gesetze vorgeschrieben seien, keineswegs aber die Ausstellung eines
Bundesheeres gegen ein Buudesglied. Zugleich erklärte derselbe
den Austritt Preußens aus dem Bunde.
Auch Hannover gehörte der Majorität der Bundesstaaten
an, hatte freilich sich einen Ausweg dadurch zu bahnen gesucht,
daß es auch gegen die Mobilisierung der österreichischen Corps
sich aussprach. Nun richtete Preußen (15. Juui) an Hannover
eine letzte Aufforderung und verlangte von ihm die Zurück-
führung seiner Truppen auf den vollen Friedenszustand und
die Zustimmung Hannovers zur Berufung eines deutschen
Parlaments. Hannover gieng darauf nicht ein, indem es beson-
ders betonte, daß die preußischen Reformvorschläge den König in
seinen Regierungsrechten der Art beschränken würden, daß von
einer Souveränität ferner nicht mehr die Rede sein könne. Da-
mit war der Krieg zwischen beiden Staaten erklärt. Vergebens be-
schwor der Magistrat von Hannover den König, durch ein Ein-
gehen auf Preußens Vorschläge der Stadt und dem Lande das
Schicksal einer feindlichen Occupation zu ersparen. Der König
erklärte, er könne als Christ, Monarch und Welf nicht anders
handeln, und wenn er leider genöthigt fei, seine Hauptstadt preis-
zugeben, so werde er seine Truppen in den Provinzen concen-
trieren und hoffe sich dort halten zu können.