Full text: Wegweiser zum praktischen Betrieb der Heimatkunde

4 III. Geschichtliche Entwicklung des heimatkundlichen Unterrichtes. 
Alles sollte „durch Erfahrung und stückltche Untersuchung" und nicht nur ge- 
dächtnismäßig angeeignet werden. 
Indem die genannten Männer den Anschauungsborn der Natur zum 
Ausgangspunkte des Unterrichtes gemacht wissen wollten, ebneten sie die 
Wege für den Einzug der Heimatkunde in den Schulbetrieb. 
Der erste Pädagog, welcher nnn eine Betrachtung der Heimat, also 
Heimatkunde forderte, und zwar als vorbereitenden erdkundlichen Unterricht, 
ist der „Prophet der Schule in dunkler Zeit" 
5. Ainos Coinenius (1592 — 1679). Schon in der „Muttersprach- 
schule", also im vorschulpflichtigen Alter sollen die Schüler die Stube kennen 
lernen, „darinnen sie erzogen werden"; ebenso sind sie mit „Küche, Kammer, 
Hof, Pferdestall, Garten", der Umgebung des Hauses und den Straßen des 
Ortes bekannt zu machen. Auch soll das Kind wissen, „ob der Ort, da es 
geboren oder wo es wohnt, ein Dorf, ein Städtlein oder Stadt oder Schloß 
sei"; ferner ist ihm zum Verstäudnis zu bringen, „was ein Acker, eine 
Wiese, ein Berg, Wald. Fluß sei". (Jnsormatorium der Mutterschule, 
Kap. 4. III, A, d.) Lehrziel ist ihm die Kenntnis der Heimat und die 
Vermittlung erdkundlicher Grundbegriffe. Bei der Stoffanordnung schlägt 
er den Weg vom Nahen zum Fernen ein. Ausgangspunkt des Unter- 
richrs soll stets die Wirklichkeit sein; denn „die Menschen müffen in der 
Weisheit soviel als möglich nicht aus Büchern unterwiesen werden, sondern 
aus dem Himmel, der Erde, den Eichen und Buchen". „Es gelte als eine 
goldene Regel für die Lehrenden, daß soviel als möglich den Sinnen ver- 
gegenwärtigt werde, das Sichtbare dem Gesicht, das Hörbare dem Gehör, 
das Schmackhafte dem Geschmack, das Riechbare dem Geruch, das Berühr- 
bare dem Tastsinne." 
Freilich waren die Forderungen dieses großen Pädagogen damals von 
ihrer Verwirklichung weit entfernt; denn der uuheilvolle Dreißigjährige Krieg 
verwüstete ja während seiner Lebzeit Deutschlands Gaue. Er knickte die 
schönsten Blüten deutschen Volkstums, vernichtete des Landes Wohlstand und 
machte auf viele Jahrzehnte hinaus eine geordnete unterrichtliche Versorgung 
der deutschen Jugend unmöglich. 
Die Ideen Eomenius' wurden zuerst im Herzogtum Gotha durch seinen 
weitblickenden 
6. Herzog Ernst den Fronnnen (1691—1675) zu verwirklichen 
gesucht, der zu diesem Zwecke den Rektor Andreas Reiher (1691—1673) 
aus Schleusingen nach Gotha berief. In dem „Schul-Methodus", den dieser 
in pädagogischer Hinsicht auf der Höhe seiner Zeit stehende Schulmann ent- 
warf, wurde auch Heimatkunde gefordert; denn: „Wenn von Gerichten, 
Grenzen, Gerechtigkeiten oder Zugehöruugeu eines Ortes in Gemein gedacht 
wird, soll es allzeit auf den Ort, in welchem das Werk gelehret wird, in=_ 
sonderheit gerichtet und gelehret werden." Dabei sind nach den Angaben 
obigen Werkes folgende Begriffe zum Verständnis zu bringen: „Gericht, 
Kreis, Dorf, Stadt. Grenze. Rain, Malbäume, Erbgut. Freigut, Laßgut, 
Staude und Gewerbe, Landesfürsten, Zentherren." Alles, was man den 
Kindern zeigen kann, soll nach Reyhers Anweisungen auch gezeigt werden.
	        
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