Full text: Wegweiser zum praktischen Betrieb der Heimatkunde

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selben war ein kohlfinsteres Coch in den Berg hinein. Das Coch 
war schier so groß, daß darin ein Haus hätte stehen können, und 
gar mit Fleiß und Schick ausgemauert; und da ging eine Straße mit 
wei eisernen Ceisten daher uͤnd schnurgerade in den Berg hinein 
Mein Pate stand lange schweigend da und schüttelte den Kopf; endlich 
murmelte er: „Jeht stehen wir da. Das wird die neumodische 
Candstraßen sein. Aber derlogen ist's, daß sie da hineinfahren!“ 
Ralt wie Grabesluft wehte es aus dem Loche. Weiterhin gegen 
Spital in der Abendsonne stand an der eisernen Straße ein gemauertes 
Hhãuschen; davor ragte eine hohe Stange, auf dieser baumelten zwei 
blutrole Kugeln. Plõtzlich rauschte es an der Stange, und eine der 
Kugeln ging wie von Geisterhand gezogen in die Höhe. Wir 
erschraken baß. Daß es hier mit rechten Dingen nicht zuginge, war 
leicht zu merken. Doch standen wir wie festgewurzelt. „Pate 
Jochem,“ sagte ich leise, „hört Ihr nicht so ein Brummen in der 
Erden ?“ — „Ja freilich, Bub',“ entgegnete er, „es donnert was! 
es ist ein Erdbidn“ (Erdbeben). Da tat es schon ein kläglich Stöhnen. 
Auf der eisernen Straße heran kam ein kohlschwarzes Wesen. Es 
schien anfangs stillzustehen, wurde aber immer größer und nahte 
mit mächtigem Schnauben und Pfustern und stieß aus dem hoch— 
gehobenen Rachen gewaltigen Dampf aus. Und hinterher — „Kreuz 
Gottes!“ rief mein Pate, „da hängen ja ganze Hãäuser dran!“ Und 
wahrhaftig, wenn wir sonst gedacht hatten, an das Cokomotiv wären 
ein paar Steirerwäglein gespannt, auf denen die Reisenden sitzen 
konnten, so sahen wir nun einen ganzen Marktflecken mit vielen 
Fenstern heranrollen, und zu den Fenstern schauten lebendige 
Menschenkõöpfe heraus, und schrecklich schnell ging's, und ein solches 
Brausen war, daß einem der Verstand still standd Das bringt kein 
Herrgott mehr zum Stehen! fiel's mir noch ein Da hub der Pate 
die beiden Hände empor und rief mit verzweifelter Stimme: „Jessas, 
Jessas, jetzt fahren sie richtig ins CLoch!“ Und schon war das 
Üngeheuer mit seinen hundert Rädern in der Ciefe; die Rückseite 
des letzten Wagens schrumpfte zusammen, nur ein Lichtlein davon 
sah man noch eine Weile, dann war alles verschwunden; bloß der 
Boden dröhnte, und aus dem Coche stieg still und träge der Rauch. 
Mein Pate wischte sich mit dem Armel den Schweiß vom Angesicht 
und starrte in den Tunnel hinein. Dann sah er mich an und fragte: 
Hast duls auch gesehen, Bub' ?“ „Ich habs auch gesehen.“ ‚Nach⸗ 
her kann's keine Blenderei gewesen sein,“ murmelte der Jochem. 
Wir gingen auf der Fahrstraße den Berg hinan; wir sahen aus 
mehreren Schachten Rauch hervorsteigen. Tief unter unsern Füßen 
im Berge ging der Dampfwagen. „Die sind verloren!“ sagte mein
	        
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