62 XI. Geographische Grundbegriffe.
Schulftube ein. Es muß nach meiner Ansicht ein ganzer Meister der Lehr-
knnst sein, dem es gelingt, bei einem derartig trockenen, den geistigen Stand-
Punkt der Kinder nicht beachtenden Stoffe eine geistbildende Unterrichts-
stunde hervorzuzaubern. Entweder artet sie in geisttötendes Klapperfragewerk,
in hohles Wortemachen der Kinder aus, oder diese schlafen dem Lehrer unter
den Händen ein. Das angezogene Buch würde nur gewinnen, wenn bei
einer Neuauflage die ersten 15 Seiten wegblieben.
Ich halte das Ausgehen vom Schnlhause auf dieser Uuterrichtsstuse für
ganz verkehrt. Wir wollen doch nicht erst einige Wochen Schulhauskunde
treiben, ehe wir Heimatkunde beginnen. Die Schulstube mit ihren Gegen-
ständen reizt nach zweijährigem Schulbesuch das Kind durchaus nicht mehr.
Nur die Bilder, welche die Wände zieren, vermögen in der Regel das
Interesse der Schüler zu fesseln. Eine stundenlange Beschäftigung mit dem
Schulzimmer, über das schon in den meisten Fällen der Anschauungsunterricht
der beiden ersten Schuljahre die Schüler zur Genüge belehrt hat, wird bei
ihnen in dem dritten Schuljahre Langeweile erzeugen, zumal wenn die Be-
trachtung in der oben erwähnten Weise erfolgt. Die Kinder wissen bereits
ganz genau, wo der Ofen, das Pult, die Bänke usw. stehen. Höchstens die
Größenzahlen der Ausdehnungen des Schnlzimmers sind ihnen unbekannt.
Das ist aber kein Fehler; denn diese Zahlen werden von den Schülern meist
schnell vergessen, und 14 Tage nach der Durchnahme sind in der Regel nur
noch wenig gedächtnisstarke „Säulen" der Klasse imstande, uns über sie
richtige Auskunft zu geben. Ich betrachte diefe Zahlenangaben nur als
eiuen unnützen Ballast für das Gedächtnis.
Deshalb muß die Losung sein: „Fort mit dem alten Zopfe!" Heraus
aus der engen Schulstube und hinaus in die schöne Heimatflur, wo der
Lerchensang ertönt, wo die Sonne so freundlich vom Himmel schaut, wo der
Bäume Grün das Auge labt, und der Blumen Pracht das Herz erfreut!
Da draußen fließt der Born der Heimaterkenntnis, welcher die Heimatliebe
nährt und sie zum stattlichen Baume gedeihen läßt, der festgewurzelt im
Herzen des Menschen bleibt bis ans Ende seiner Tage. Im Freien ist
darum die Heimatkunde des dritten Schuljahres möglichst zu erteilen, und
die Heimatflur muß ihr erster Gegenstand sein! Dann erst folgt die Be-
trachtung des Heimatortes, der sich dann im nächsten Schuljahre die Be-
Handlung der Heimatlandschaft und der Heimatprovinz anschließt.
XI. Seogmplillcke Srunäbegrlkke.
Eine Aufgabe, die der heimatkundliche Unterricht als Vorstufe des erd-
kundlichen Unterrichtes zu lösen hat, ist die Gewinnung der geographischen
Grundbegriffe.
Bisher hat man vielfach diese Grundbegriffe innerhalb des Schul-
zimmers an sogenannten Typenkarten (z. B. Hirts Hauptformen der Erd-
oberfläche) gewonnen. Man glaubte, so den Forderungen eines anschaulichen
Unterrichtes Rechnung zu tragen, war doch das „Anschauungsbild" — die
Typenkarte — vor den Augen der Kinder aufgehängt. Dies Verfahren ist