66 XII. Heimatkundliche Spaziergänge.
Meerbecken ausgefüllt werden können. Dieser Vorgang ist nur ein allmählicher
und Tausende, ja Millionen von Jahren gehören dazu, um Gesteinsschichten
in den „Sammelmulden" — so nennt Walther die Einsenkungen der Erd-
oberfläche, in denen sich der Verwitterungsschutt (durch Wind, Wasser usw.
dorthingebracht) sammelt — zu bilden, die (wie z. B. in Deutschland) zu-
sammen eine Mächtigkeit von 14 000 m haben.
Auf diese geschilderte Art und Weise lernen die Kinder die erdkund-
lichen Grundbegriffe ungezwungen kennen. Die Schüler beobachten die Natnr
in ihren kleinsten und unscheinbarsten Vorgängen, und sie erhalten ein Ver-
ständnis von dem Werden, Sein und Vergehen der Heimaterde, eine Er-
kenntnis, die jedes unverdorbene Gemüt religiös stimmen muß.
Xll. ßeimafkundliche Spaziergänge.
a) Geschichtliches. Michael Neander war wohl der erste Pädagoge,
welcher den Wert der Spaziergänge in die heimatkundliche Natur für die
Bildung der Jugend erkannte. (Sieh? Seite 3.) Ratke und Comenius
forderten zwar auch unmittelbare Anschauung der Naturgegenstände, aber
der letztgenannte große Pädagog verleitete durch seinen „Orbis pictus" dazu,
das Bild an Stelle der Natur zu benutzen. August Hermann Francke
wollte den Zöglingen des Waisenhauses gemeinnützige Kenntnisse (Realien)
„gleichsam spielend" auf Spaziergängen beibringen. Rousseau endlich verlangte,
daß „Emil" seine Heimat durchstreifen und dadurch z. B. veranlaßt werden
sollte, um Belehrungen über Auf- und Niedergang der Sonne zu bitten.
Von den deutschen Philanthropen war es besonders Salzmann, der Heimat-
kundliche Spaziergänge in größerem Maßstabe dem Unterrichtsbetriebe dienstbar
machte. Mit den Zöglingen seiner Anstalt in Schnepfenthal unternahm er
Spaziergänge und sogar größere Reisen; oft legte er in einem Jahre mit
den Schülern über hundert Meilen zurück. Diese Ausflüge uud Reisen
sollten die Kinder mit der Heimat und dem Vaterlande bekannt machen.
Auch Pestalozzi benutzte in Jferten Ausflüge und Reisen, um seinen Zög-
lingen die Schönheiten der Heimat zu zeigen. Seitdem durch Pestalozzi
das Anschauungsprinzip sich mit siegender Gewalt Bahn in den Unterrichts-
betrieb gebrochen hat, gehören heimatkundliche Spaziergänge zum notwendigen
Bestandteile des Unterrichtes. Finger machte von ihnen ausgiebig Gebrauch.
Trotzdem läßt in dieser Hinsicht die Praxis auch heute in sehr vielen Schulen
noch recht, recht viel zu wünschen übrig. Theoretisch tritt jeder Lehrer dafür
ein, daß die heimatkundlichen Unterweisungen möglichst im Freien zu erteilen
sind, trotzdem wird — ich glaube nicht zu übertreiben — die Mehrzahl
der deutschen Kinder immer noch in der engen Schulstube mit ihrer Heimat
bekannt gemacht, und nur wenige Spaziergänge führen sie hinaus in die
Heimatflur. In der neueren Zeit fordert besonders die Berücksichtiguug
des „Arbeitsprinzips" die Notwendigkeit heimatkundlicher Spaziergänge.
b) Einwände. 1. Freilich werden dagegen mancherlei Einwände er-
hoben. Häusig hört man sagen, daß bei großer Schülerzahl die Auf-
rechterhaltung der Schulzucht auf den Ausflügen zu große