119. Gin Üropenabend am Sumpfe. von Karl Schillings.
Mit Blitzlicht und Büchse. 2. Abdruck. Leipzig 1905. 8. 89.
und erb ar ist ein solcher Abend, eine solche Nacht im
äquatorial afrikanischen Sumpfe! Immer wieder wird
der Nordländer überrascht durch das schnelle, ihm un¬
gewohnte Verschwinden des Sonnenballes am Horizonte.
Mit dem Eintritte der Dunkelheit tauchen Tau¬
sende von Leuchtkäfern auf, Zikaden vollführen eine
ohrenbetäubende Musik und mischen ihren Gesang mit
dem für uns merkwürdig hölzern klingenden Gequak der Frösche. Letztere
geben einen kurzen, schnell wiederholten gleichförmigen Ton von sich
— ins Unendliche wiederholt.
Dazu tritt das Gesumme der Moskitos, die in Myriaden hier ihre
Wohnstätte haben und blutgierig aus dem Papyrusdickicht ausschwärmend,
ihre Opfer suchen. Ungeschützt gegen ihre Angriffe, vermöchten wir
unmöglich an unserem Standorte zu verharren. Die sorglich mit¬
genommenen Mückennetze gewähren auch nur bedingten Schutz, ermög¬
lichen es uns aber immerhin, auf unserm Beobachtungsposten zu
bleiben, obwohl wir durch ihre Stiche, die selbst unsere Kleidungsstücke
durchdringen, aufs ärgste gepeinigt werden.
Lebhafter und geschäftiger wird das Treiben der Mücken, ihr Ge¬
summe immer stärker, sie selbst zudringlicher. Ihr Konzert mischt sich
mit den Lauten jener Sumpfvögel, deren Haupttätigkeit sich erst zur
Nachtzeit entfaltet. Ein merkwürdiges Glucksen und Kichern in schneller
Reihenfolge trifft unser Ohr. Ein kleines Sumpfhühnchen ist es, das
so in den allgemeinen Chor einstimmt. Auch am Tage vernimmt man sein
geheimnisvolles Gekicher, sein unbeschreibliches Murmeln und Summen.
„Es unterhält sich mit den Fischen!" meint einer meiner Leute. „Ja,
so ist es, Herr!" stimmen andere bei. Dem ist nun nicht so, aber
immerhin sind diese Vogellaute von höchster Charakteristik für den
Sumpf. Der Umstand, daß ein dort lebender welsartiger Fisch, wenn
gefangen, sehr ähnliche Laute von sich gibt, veranlaßt wohl die Ein¬
geborenen zu dem Glauben an eine Unterhaltung zwischen Vogel und
Fisch. — Ein Gewirr vieler Stimmen, vom rauhen Krächzen des Nacht¬
reihers bis zum eintönigen Geplärre der kleinen Rohrsänger und dem
warnenden Rufe der Wasserhühner schließt sich alledem an.
Fern flackern meine Lagerfeuer auf, die matte Sichel des Mondes
erhebt sich aus den Abendwolken — da ertönt, anscheinend in unmittel¬
barer Nähe aus der Sumpfwildnis erschallend, eine Stimme, deren
schon die Bibel als einer der mächtigsten Tierstimmen alter Zeiten
Erwähnung tut. „Und wenn Behemoth" — so nennt der Hebräer das
Flußpferd— „seine Stimme erhebet," so bebt tatsächlich der Erdboden!