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Ihr habt euch hier zu einer öffentlichen Versteigerung von
allerhand Sachen versammelt. Ihr nennt diese Dinge Guͤter;
aber ihr mögt euch wohl vorsehen, daß sie nicht einigen zu Übeln
werden. Ihr denkt, sie werden wohlfeil, vielleicht weit unter dem
Werte abgehen; allein, wenn ihr fie nicht notwendig braucht, so
werdet ihr sie auf jeden Fall teuer bezahlen. Richard sagt: Kaufe
nur, was du nicht brauchst, so wirst du bald verkaufen müssen,
was du brauchst.
Der Weise, so sagt der alte Richard, wird durch fremden
Schaden klug, ein Narr kaum durch seinen eigenen. Ich kenne
Leute, welche selbst hungern und ihren eignen Kindern das Brot
entziehen, um sich das nötige Geld für ein unnötiges schönes Kleid
zu ersparen. Seide und Sammet löschen aber das Feuer in der
Küche aus. Dahin ist es gekommen, daß der erkünstelten Be—
dürfnisse weit mehr sind als der natürlichen. Durch solche und
ähnliche Thorheiten sind reiche und vornehme Leute an den Bettel—
stab gekommen und gendtigt worden, diejenigen um Hilfe anzu—
sprechen, auf welche sie früher hochmütig herabgesehen datten, die
aber durch Fleiß und Sparsamkeit zu Vermögen und Ansehen ge—
kommen sind. Der alte Richard sagt. Ein Bauer auf den Füßen
ist besser als ein Edelmann auf den Knieen. Mancher, der am
meisten klagt, hatte ein artiges Vermögen geerbt; er vergaß aber,
wie er dazu gekommen und dachte: Es ist Tag, es wird niemals
Nacht werden. Eine kleine Ausgabe von einem so großen Ver—
mögen kommt nicht in Betracht; aber wie der arme Richard sagt:
Wenn man immer aus dem Mehlfasse nimmt und nichts wieder
hineinfüllt, so kommt man bald auf den Boden. Wenn der
Brunnen trocken ist, schätzt man erst das Wasser. Wollt ihr wissen,
was das Geld wert ist, so geht hin und borgt. Sorgen folgt
auf Borgen, sagt Richard. Hast du etwas Schönes ins Haus
gekauft, so mußt du noch zehn Stück dazu kaufen, damit alles
zusammen passe. Der alte Richard sagt: Es ist leichter, dem
ersten Gelüste zu widerstehen als allen folgenden, und der Arme,
welcher dem Reichen nachäfft, ist ebenso lächerlich wie der Frosch,
welcher aufblies, um so groß zu werden wie der Stier. Große
Schiffe können sich ins weite Meer wagen; kleine Fahrzeuge müssen
sich am Ufer halten. — Welche Thorheit, der entkbehrlichen Dinge
wegen Schulden zu machen! Wer sich in Schulden steckt, gibt
andern ein Recht über seine Freiheit. Könnt ihr zur gesetzten
Frist nicht bezahlen, so werdet ihr euch schämen, wenn euer Glͤubiger
euch begegnet. Ihr werdet ängstlich sein, wenn ihr mit ihm spreht
und elende Entschuldigungen herstammeln. Nach und nach werdel
ihr Treu' und Glauben verlieren, das Schamgefühl schwächen und
euch gar durch grobe und niederträchtige Lügen emehren. Ein
rechtschaffener Mann sollte jedem ohne Furcht ins Angesicht sehen