204 III. Teil. Zweiter Abschnitt.
Wie wir schon bei den einzelnen Zweigen der verarbeitenden Industrie gesehen
haben, sind zahlreiche Veredelungsbetriebe mit denen der Stossherstellung verbunden. Im
großen und ganzen aber steht die Veredelungsindustrie doch als ein selbständiges Ge-
werbe da, in dem sich auch der Zug zum Großbetrieb geltend macht. Von den 1907
gezählten 136364 Betrieben (1895 noch 205360) der Textilindustrie entfielen auf dieses
Gewerbe etwa Vis (9044), von den 1088280 (1895 nur 993000) beschäftigten Personen
etwa V» (118000).
Die Verbreitung der Industrie fällt, soweit wir nicht schon ein anderes kennen
gelernt haben (s. Wollindustrie), mit der Verbreitung der Textilindustrie überhaupt
zusammen.
III. Bekleidungsindustrie.
a) Zweige und Verbreitung. Die Bekleidungsindustrie umfaßt alle die
Gewerbearten, die sich mit der Herstellung und Ausschmückung von Bekleidungsgegen-
ständen beschäftigen. Die Zahl der Betriebe bezifferte sich 1895 aus 721000 und
die der darin tätigen Personen aus 1390000. 1907 wurden 683500 Betriebe mit
1304000 Personen gezählt, so daß in beiden Zahlen ein Rückgang stattgefunden hat, defsen
Gründe bereits mehrfach erörtert find. Mehrere Zweige der Bekleidungsindustrie (z. B.
Schuhmacherei, Handschuhfabrikation, Hosenträgerfabrikation u. a.) sind schon in anderem
Zusammenhange berücksichtigt worden. Hier soll nur noch die sogenannte Konfektions-
industrie behandelt werden.
Unter Konfektion verstehen wir das Gewerbe, welches Bekleidungs-
gegenstände in großen Massen herstellt, dabei aber auf die verschiedenartigsten,
den wechselnden Geschmacksrichtungen Rechnung tragenden Ausstattungen
bedacht ist. Diese Industrie zerfällt
1. in die Damen- und Mädchenmäntelkonfektion, den wichtigsten
Zweig, der seine Hauptsitze in Berlin, Breslau und Erfurt hat;
2. in die Herren- und Knabenkonfektion, für welche sich drei Haupt-
gebiete unterscheiden lassen: ein norddeutsches mit Berlin, Stettin und Breslau,
ein süddeutsches mit Frankfurt, Aschasfenburg, Nürnberg und Stuttgart, ein
westdeutsches mit München-Gladbach, Elberfeld-Barmen, Bielefeld,
Herford und Minden;
3. die Blusen-, Kostüm-, Kostümrock- und Schürzenfabrikation,
die der Mäntelkonfektion meist angegliedert ist; nur für Blusen und Schürzen
ist auch Plauen ein bedeutender Platz;
4. die Weißwaren- und Wäfchekonfektion. Ihre Hauptplätze sind
Berlin, das somit der alle anderen weit überragende Sitz der Bekleidungs-
industrie ist, ferner Bielefeld, Aue in Sachsen und Frankfurt a. M.
b) Umfang und Bedeutung der KonfehtionsinduTtrie. Die Zahl
der darin beschäftigten Personen beträgt über 600000, dazu kommen noch
48000 in der Wäschekonfektion Tätige. Sie sind zum allergrößten Teile
Hausindustrielle (allem Berlin 106000); denn mit Ausnahme der Wäsche-
konfektion ist das Verlagssystem die herrschende Betriebsform. Es ist
aber auch das notwendige Betriebssystem, da die Industrie einerseits auf
Massenabsatz, andererseits daraus angewiesen ist, sich dem stets feiner werdenden
Geschmack und der wechselnden Mode anzupassen. Eine weitere Eigentümlichkeit
der Industrie ist die weit getriebene Arbeitsteilung, so daß für alle Kleidungs-
stücke, sogar für einzelne Anzugsteile besondere Betriebe vorhanden sind und