Full text: Enthaltend die vierte Stufe: Europa (Theil 2)

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das Pferd wieder aufspringt, trägt es den Mann nach wie vor auf seinem 
Rücken. Nun schießt es wie ein Pfeil vorwärts, es will der unerträglichen Last 
entfliehen und bietet seine letzte Kraft auf, um zu entkommen. Und so geht die 
tolle Jagd weiter und weiter, bis es mit zitternden Knieen, schweißtriefend, 
todmatt an einem Fluß oder Morast steht, wohin es der schlaue Reiter diri- 
girte, oder erschöpft zusammenbricht. Nun legt ihm der Czikos das Gebiß ein, 
läßt es sich wieder erholen und führt es zahm und geduldig zurück. Nach 
solchem furchtbaren tollen Ritt ist die Wildheit des Thieres für immer gebrochen. 
Ja binnen Kurzem wird das Roß des Reiters treuester trauter Gefährte, er 
plaudert mit ihm wie mit seinesgleichen, und das Thier versteht ihn, er theilt 
' mit ihm jeden guten Bissen und es kennt seine Hand, und er kann ihm blind- 
lings vertrauen, ohne daß ihm je ein Leid geschieht. Die Ehrlichkeit ist übrigens 
die Tugend dieser kühnen Rossebändiger eben nicht. Wenn ein Czikos, die 
weingefüllte Kürbisflasche an der Seite, die lange Lederpeitsche an kurzem 
Stiel in der Hand, die blanken Sporen an den Stiefeln, in die Stadt kommt, 
um ein paar Pferde zu verkaufen, so kann man sicher sein, daß er den Markt 
nicht verläßt, ohne ein anderes zu stehlen, das er sich dann so leicht nicht wieder 
abjagen läßt. In den unheilvollen Jahren 1848—49 waren die Pußtahirten 
die besten Truppen der Jnfurreetion, weil sie das Land und namentlich die 
Theißgegend kennen, wie Niemand sonst.— Endlich verdienen noch Erwähnung 
die Gänsehirten. Die Theißgegend, die Moräste bei Peterwardein und 
die Insel Schütt wimmeln von Gänsen. Ungarn verkauft jährlich gegen 
15000 Ctr. Bettfedern. 
Ein nicht geringes Contingent der Bevölkerung Ungarns stellen Juden 
uud Zigeuner. Die Juden sind zwar meist verachtet und zurückgesetzt, aber 
sie wissen sich dafür durch das Ansehen zu entschädigen, das ihnen ihr Geld 
besonders bei dem Adel giebt, der sie oft braucht. Viel schlimmer noch sind die 
Zigeuuer daran, die ganz außerhalb des Dorfes ihre Zelte aufschlagen oder in 
Löchern wohnen müssen, die sie in die Erde graben und mit einem zerlumpten 
Zelttuch oder Schilf und Unkraut überdachen. In diesen Löchern, deren einzige 
Oeffnung als Fenster und Thür und Schlot zugleich dient, kauert die ganze 
— oft sehr zahlreiche — Familie am Boden um das Feuer herum, und 
Schweine und Hunde dazwischen. Hitze und Kälte, Beschwerde und Entbehrung 
ficht sie nicht an, ein paar Lumpen find ihre ganze Kleidung, die Kinder lassen 
sie bis zu 10 Jahren nackend gehen und binden ihnen zur Erwärmung einen 
Strick um den Leib. Krank sind sie selten und werden oft über 100Jahre alt. 
Sie sind überaus unreinlich und voll Ungeziefer; besondern Appetit hegen sie 
für gefallenes Vieh, das sie dem geschlachteten vorziehen. Ihre unbesiegbare 
Trägheit hat alle Versuche, sie zu colonisiren und zu civilisiren (Joseph II.) 
scheitern gemacht. Sie leben vom Betteln, Stehlen, Betrügen, Wahrsagen, 
Kesselflicken, Quacksalbern, Topfstricken, Kräutersammeln, Löffelschnitzen, Mu- 
siciren, Taschenkünsten, lassen Bären, Affen, Hunde tanzen u. s. w., und wenn 
sie eine Gegend abgesucht, ziehn sie mit Kind und Kegel und mit ihrem ganzen 
Hausrath, ein paar Schweinen, einem struppigen Hund, einer dürren Mähre, 
die das Zelt trägt oder den Karren zieht, von dannen weiter. Das sind die 
Wanderzigeuner, die niedrigste Klasse. In Ungarn und Siebenbürgen wird 
man allewege von ganz oder halb nackten Zigeunerkindern angelaufen und an¬
	        
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