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Opferbälle, in denen nur solche Zutritt hatten, die Angehörige unter der Guil-
lotine hatten fallen sehen!—Die französische Sprache ist zierlich, geschmeidig,
leicht, klar, practisch, die ganze Sprache der Geselligkeit, der Konversation,
daher die Weltsprache der Diplomatie geworden; ihre Literatur glatt, glän-
zend, doch meist ohne Tiefe. Im Allgemeinen ist es ihnen mehr um den
schönen glänzenden Schein, den Esprit, zu thun, als um die reine Wahrheit,
und ein Bonmot, ein Calembour zündet bei ihnen mehr als der strenge Ge-
danke. Auf dem Gebiete ernster Forschung und Wissenschast ist ihr Feld
weniger; doch sind sie in Mathematik und Naturwissenschaften ausgezeichnet
(Laplaee, Arago 2c.), und von den Künsten haben sie am meisten die Poesie
gepflegt: das goldne Zeitalter unter LudwigXIV., Molivre f 1673, Corneille
t 1684, Racine t 1699, Lafontaine t 1695, Boileau t 1711, Fertelon t
1715; aus der Gegenwart Victor Hugo, Beranger, Lamartine, Balzac,
Muffet, George Sand, Alexander Dumas. Die Franzosen sind die Meister
des Lustspiels, im Dichten und Darstellen. Musikalische Größen haben sie
wenig (Boildieu, Berlioz, Auber). Bei ihrer leichtblütigen, unsteten Beweg-
lichkeit lieben sie auch auf politischem Felde den Wechsel: „das erste Bedürfniß
Frankreichs ist, regiert zu werden; aber sobald dies erste Bedürfniß befriedigt
ist, empfindet Frankreich auch fchon das andre: die Regierung, die es hat, zu
bekämpfen und zu schwächen." Immer schwankend in ihren Neigungen, immer
wechselnd in den Extremen, die sich berühren, verrathen sie überall ebenso viel
Haß als Bedürsniß der Autorität; und ihre Zustände im Staate zeigen bald
ein Uebermaß absoluter Herrschast bis zu römischer Dictatur, bald ein Ueber-
maß von Freiheit bis zu gesetz- und gottloser Anarchie. Was die französische
Nation von allen andern Nationen Europas unterscheidet, ist ihre Gleich-
artigkeit: wie das Land eine zusammengedrängte Masse ist mit Vorherrschen
der Ebene, ohne hohe trennende Gebirge, ohne große Gegensätze und Unter-
schiede des Klimas, des Bodens (vergl. Spanien, Schweiz, Griechenland,
Deutschland), so ist früher und völliger als andre das Volk zu Einem energi-
schen Ganzen unter Einem Oberhaupte verschmolzen. Das stolze Selbstgefühl
seiner Macht und Größe giebt ihm immer eine eifersüchtige Stellung zu seinen
Nachbarn, zu England und Deutschland. Die Civilisation, deren es sich rühmt,
ist in den letzten Jahrhunderten auf das übrige Europa von unberechenbarem
(aber oft verderblichem) Einfluß gewesen, gegenwärtig mit Recht in Verruf
gekommen; aber in Sachen des Luxus und der Mode beherrscht es von Paris
aus noch heute den ganzen Kontinent.
7. Landschaften und Städte. A. Guienne, Gascogne, Navarra. Diese
Landschaften im SW. sind Tiesland, im Süden (Bearn) von den Pyrenäen
begrenzt und in sie hineinreichend, welche hier schauerlich tiefe Abgründe und
gewaltige „Amphitheater" himmelanstrebender, zu vier, fünf Stockwerken auf-
steigender Felsenmauern bilden, reißende, zerstörende Gießbäche in die grünen
Thalbecken senden und einen unvergänglichen Schneemantel tragen. Sie
geben dem SW. die Garonne und den Adour. Pic du midi 8900' (Moni
Perdu — Rolandsbresche). Ihre Bevölkerung ist größtenteils baskischer
Abkunft (S. 7), aber die hier find leichter, frischer, spielender, als die spa-
nischen, doch tragen sie den Kops so hoch wie jene. Navarra gehört zu einem,
dem südlichen Theil zu Spanien, zum andern, nördlichen (Niedernavarra) zu