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ich einen starken, ekelerregenden Geschmack wieder, den ich schon bei 
der ersten Schüssel bemerkt hatte. Später kamen die berühmten 
Vogelnester an die Reihe; sie schmeckten aber fad. In allen Speisen, 
so vortrefflich sie bereitet waren, fand ich jene unbekannte Zuthat, 
welche mir den Magen umdrehte und meinen Widerwillen gegen das 
Essen fortwährend steigerte. Auf meine Frage erhielt ich die Antwort, 
es sei — Ricinus öl. 
Noch eine andere Unannehmlichkeit hatte ich bei der Tafel zu 
ertragen. Jeden Augenblick mußte ich nämlich meinem chinesischen 
Nachbarn auf die Gesundheiten, die er ausbrachte, Bescheid thun 
und die kleine Tasse voll Kamschn leeren. Es ist dies eine Art 
süßsaurer weißer Wein, aus gegorenem Reis und verschiedenen Ge- 
würzen bereitet, welcher warm genossen wird. Ich hätte viel darum 
gegeben, einige Gläser Wasser trinken zu können; aber Brot und 
Wasser sind an dem chinesischen Tische verbotene Dinge. Die Höflich- 
keit nötigte mich, so oft eine Gesundheit ausgebracht wurde, meine 
Tasse Kamschu auszutrinken und sie dann umzukehren, zum Zeichen, 
daß nichts mehr darin sei. Im nächsten Augenblicke war aber der 
unerbittliche Mundschenk auch schon wieder da, um sie zu füllen, da 
dies die chinesische Artigkeit erfordert. 
Jerusalem und die umliegenden Heiligen Hrte. 
Es war ein feierliches Erwachen am ersten Morgen, der mich 
in Jerusalem (Bild 101) begrüßte. Kaum graute der Tag, so 
zitterte meine Seele schon vor Erwartung dessen, was ich sehen sollte. 
Langsam ging uns die erste Stunde des Morgens vorüber. Endlich 
traten wir in die heilige Grabeskirche. Mir bangte fast, festen 
Fußes aufzutreten, und ich wußte, warum der Prophet, als sein 
großer Beruf ihn in die Nähe Gottes riß, die Füße entblößte, ehe 
er sich dem Heiligsten näherte. Ich schweige von den Formen der 
Kirche, welche schon von so vielen Reisenden beschrieben wurde. Meine 
Augen waren wie getrübt, und meine Seele war voll unendlicher 
Wehmut. Im westlichen Chor der Kirche liegt die Kapelle des heiligen 
Grabes selbst. Ein kleines Gemach, das kaum vier Personen saßt,
	        
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