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Mit Bethanien übersieht das Auge den Ölberg, die Stätte der 
heiligen Erinnerungen. Nahe am Ölberge liegt Gethsemane, unten 
an seinem Fuße der Olivengarten und oben auf dem Gipfel die 
Himmelfahrtskirche. Ich konnte mein Auge fast nicht wenden von 
den heiligen Hügeln. Noch einmal trank ich in vollstem Zuge das 
heilige Schauspiel und wandte mich dann mit dem Wunsche des 
heimatlichen Dichters ab: 
„Bleibt mir nah mit eurem heil'gen Walten, 
Hohe Bilder, himmlische Gestalten!" 
(Nach F. W. Hackländer u. a.) 
Die Überschwemmungen des Wits. 
Schon im Altertum wurde Ägypten ein „Geschenk des Nils" 
genannt, und das mit Recht; denn der Nil ist es, der das Land 
bewässert und fetten Schlamm auf demselben ablagert, dadurch unter 
einem fast regenlosen Himmel üppige Fruchtbarkeit erzeugeud. Zwar 
haben auch andere Ströme jährliche Überschwemmungen; aber bei 
keinem derselben treten diese mit solcher Regelmäßigkeit auf und lassen 
sich so genan und so weit zurück verfolgen. Wir wissen, daß der 
Nil von den mächtigen Wassermassen angeschwellt wird, welche zur 
Zeit der tropischen Regen in seinem Quellgebiet, besonders in Abessinien, 
herabstürzen. Gegen Schluß des Juni verrät der steigende Strom 
den gewaltigen Zuwachs des Wassers. Diese Schwellung nimmt 
nun in gleichmäßiger Folge so zu, daß um die Mitte des Augusts 
der Fluß iu Ägypten seine Ufer überschreitet und allmählich das 
ganze Thal bis zum Fuße der Berge überflutet, um während des 
Oktobers in seine Grenzen zurückzukehren und ebenso gleichmäßig, wie 
er gewachsen, auf den niedrigsten Wasserstand herabzusinken. Das 
höchste, aber gewöhnliche Maß der Steigung beträgt für das Delta 
heute noch wie schon im Altertum 5 m, und die Wassermenge, welche 
der Strom in dieser Zeit dem Meere zuwälzt, ist zwanzigmal größer 
als zuvor. Zuweilen bleibt er auch uuter dem angegebenen Maße 
zurück. Dann aber trifft Hungersnot oder doch Mangel die Be- 
völkeruug, welche eben den Überschwemmungen allein ihre reichen
	        
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