Zweite Abteilung.
82. Aus dem Uibelungenliede.
Wie Siegfried erschlagen ward
1. Gunther und Hagen, die Recken wohlgethan,
Berieten mit Untreuen ein Birschen in den Tann.
Mit ihren scharfen Spießen wollten sie jagen gehn
Bären, Schwein' und Büffel; was konnte Kühnres geschehn?
2. Da ritt auch mit ihnen Siegfried mit stolzem Sinn.
Mancherlei Speise brachte man dahin.
An einem kalten Brunnen verlor er bald den Leib;
Brunhild hatt' es geraten, des Königs Gunther Weib.
3. Da ließ man herbergen bei dem Walde grün
Vor des Wildes Wechseln die stolzen Jäger kühn;
Als sie da jagen wollten auf breitem Angergrund,
Da war auch Siegfried kommen, das war dem Könige kund.
4. Von den Jagdgesellen ward umhergestellt
Die Wart' an allen Enden; da sprach der kühne Held,
Siegfried, der starke: „Wer soll uns in den Tann
Nach dem Wilde weisen, ihr Degen kühn und wohlgethan?“ —
5. „Wollen wir uns scheiden,“ hub da Hagen an,
„Ehe wir beginnen zu jagen hier im Tann?
So mögen wir erkennen, ich und die Herren mein,
Wer die besten Jäger bei dieser Waldreise sei'n.
6. Die Leute und die Hunde, wir teilen uns darein;
Dann fährt, wohin ihn lüstet, jeglicher allein,
Und wer das Beste jagte, dem sagen wir den Dank.“
Da weilten die Jäger bei einander nicht mehr lang'.
7. Da sprach der Herre Siegfried: „Der Hunde hab' ich Rat;
Ich will nur einen Bracken, der so genossen hat,
Daß er des Wildes Fährte spüre durch den Tann;
Wir kommen wohl zum Jagen!“ so sprach der Kriemhilde Mann.
8. Da nahm ein alter Jäger einen Spürhund
Und brachte den Herren in einer kurzen Stund',
Wo sie viel Wildes fanden; was des rege ward,
Das erjagten die Gesellen, wie heut' noch guter Jäger Art.