Erwerbung großer Kolonien in Ostindien berufen, die erste Handels¬
macht der Welt zu werden.
Die oberdeutschen Handelsstädte wie Nürnberg, Augsburg und
Basel suchten sich den veränderten Verhältnissen anzubequemen. Viele
deutsche Männer standen als Büchsenschützen und Landsknechte, als
Bergleute und Ackerbauer, als Matrosen und Steuerleute in spanischem
und portugiesischem Dienste, so daß schon in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts in Lissabon eine Kolonie oberdeutscher Landsleute
bestand. Auch die oberdeutschen Kaufleute begründeten in Lissabon
Filialen. Die Fugger aus Augsburg bemächtigten sich des Bergwerks¬
betriebes in Almaden und erbaten sich im Jahre 1530 die Erlaubnis,
Niederlassungen in den Ländern zwischen Peru und der Magelhaes-
straße zu gründen. Die Welser aus Augsburg erwarben in Verbindung
mit anderen deutschen Kaufhäusern die Kolonie Klein-Venedig (Ve¬
nezuela), deutsche Schiffe fuhren nach dem La Plata und nach Bra¬
silien, deutsche Kaufleute besaßen Kupferbergwerke in San Domingo,
Silberminen zu Sultepeque und Kupfergruben in Kuba.
Aber mit dem Verlauf der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
brechen diese Beziehungen ab. Seit der Mitte des Jahrhunderts
mehren sich in Augsburg die Bankerotte, im Jahre 1614 fallieren
schließlich die Welser, und 1653 liquidieren auch die Fugger, fast als
die letzten, ihr spanisches Geschäft.
Im Jahre 1581 eroberte Spanien Portugal. Damit begannen
alle Völker, die Spanien feindlich waren und bisher ihre orientalischen
Waren aus Lissabon bezogen hatten, vor allem Niederländer und
Engländer, nunmehr mit Umgehung Spaniens selbst nach Indien zu
fahren; und sie siegten in dieser Richtung seit Ende des 16. Jahr¬
hunderts. Es war der Ruin Spaniens und Portugals und damit auch
der Untergang des oberdeutschen, auf die pyrenäische Halbinsel ge¬
stützten ozeanischen Handels. Nachdem die englische Flotte Spaniens
Seemacht vernichtet hatte, mußte sie auch Holland zu überflügeln. Schon
1600 hatten die Engländer ihre ostindische Hcmdeskompagnie errichtet,
50 Jahre später demütigten sie Holland völlig, und seitdem blieben
sie Sieger in jedem Seekrieg, und ihr Handelsgebiet rourde durch
jeden Frieden erroeitert.
Dieselben Ursachen, die den oberdeutsch-italienischen Handel lahm
legten, kamen dem Aufblühen der ozeanischen Küsten Deutschlands im
höchsten Maße zugute. Vor allem genossen die Niederlande mit dem
Beginn der neuen Periode des Welthandels die Gunst der Lage. An
der heutigen deutschen Nordseeküste kam besonders Hamburg in Auf¬
schwung. Seine Kaufleute besorgten den nordischen Handel, Hamburgs-
sehe Schiffe brachten Getreide und Kriegsmaterial nach Spanien, be¬
fuhren die Häsen des Mittelmeeres und Brasiliens. Freilich gegenüber
e* 83