Georg Wilhelm und seine Zeit. 123
gierte, welcher so schwierigen Umständen nicht gewachsen war. Selbst ein
Mann von bedeutenden Gaben und ernster Willenskraft würde damals Mühe
gehabt haben, den jungen Staat, welcher durch die religiösen und politischen
Verhältnisse in den allgemeinen Kampf hineingezogen wurde, vor der Zer¬
rüttung zu bewahren, die ganz Deutschland traf; — wie viel trauriger mußte
sich Brandenburgs Schicksal unter einem Fürsten gestalten, welcher weder die
geistige Begabung, noch die Charakterstärke hatte, um zwischen den kämpfen¬
den Parteien eine bestimmte Stellung zu wählen und mit Würde zu be¬
haupten ! Ohne eigene Einsicht und ohne jede innere Kraft, mehr den Ver¬
gnügungen der Tafel, als ernster Arbeit zugeneigt, wußte Georg Wilhelm
nie einen selbstständigen Entschlnß zu fassen, wurde vielmehr von den Ein¬
gebungen des Augenblicks und von dem Rath einzelner einflußreicher Männer
abhängig, und schwankte während seiner ganzen Regierungszeit von einer
Seite zur andern. Dazu kam, daß noch von Johann Sigismund her gerade
in den religiösen Dingen die Regierung mit dem Volke selbst zerfallen war;
Brandenburgs Aufgabe wäre es gewesen, bei dem entscheidenden Kampfe um
Deutschlands religiöse Angelegenheiten einen gewichtigen Einfluß auszuüben,
aber dies konnte leider nicht geschehen, da der Landesfürst nach dem Uebertritt
zum reformirten Bekenntniß sich mit den lutherisch gesinnten Ständen in den
wichtigsten Dingen niemals zur rechten Zeit verständigen konnte. Die Schwäche
und Zerfahrenheit in den religiösen Fragen steigerte sich noch, als in der Per¬
son des Grafen Adam von Schwarzenberg ein Katholik zum vorzüg¬
lichsten Rathgeber des Fürsten bestellt wurde.
Die Spaltung zwischen dem reformirten Hofe und dem lutherischen
Volke fand leider auch Nahrung in der eigenen Familie des Kurfürsten, indem
selbst die Mutter und der Sohn sich um der Religion willen verfeindeten.
Die verwittwete Kurfürstin war dem lutherischen Bekenntniß treu geblieben,
und suchte dasselbe mit allem Eifer in ihrem Hause und im Lande wieder
zur Geltung zu bringen. In Abwesenheit ihres Sohnes ließ sie einen eifrigen
Lutheraner, den begabten Balthasar Meißner aus Wittenberg, nach
Berlin kommen und in ihrem Schlosse predigen. Noch ärgerlicher war für
Den Kurfürsten die hinter seinem Rücken vollzogene Verlobung seiner Schwester
mit dem lutherischen König Gustav Adolph von Schweden. Dieser hatte auf
einer Reise nach Deutschland die achtzehnjährige, durch Schönheit und An¬
muth ausgezeichnete Prinzessin Marie Eleonore kennen gelernt und warb um
ihre Hand; der Kurfürst aber wies ihn aus Rücksicht auf den König von
Polen, der mit Gustav im Kriege war, und dessen Sohn Wladislans gleich¬
falls um die Hand Marie Eleonorens angehalten hatte, zurück. Die Kur¬
fürstin-Mutter dagegen begünstigte die Absichten des ihr schon um seines
lutherischen Glaubeus willen sehr willkommenen Schwedenkönigs, welcher
auch das Herz der jungen Prinzessin zu gewinnen wußte. Während nun
Georg Wilhelm sich in Preußen befand, um dort die Belehnung zu erlangen,
kam Gustav Adolph heimlich nach Berlin und erreichte die Zusage der ge¬
liebten Prinzessin, sowie die Einwilligung und deu Segen ihrer Mutter, der
Kurfürstin Anna. Erst als die Verlobung vollzogen war, erhielt der Kurfürst
Kunde von dieser Angelegenheit, die ihn als Familienhaupt und als Fürsten
so nahe berührte. In höchster Entrüstung schickte er sogleich einen Gesandten