I. Das britische Weltreich- 115
Anders steht es mit den Bodenschätzen (vgl. S. 99). Wenn auch
Deutschland in der Metallerzeugung England überholt hat, so sind die
Kohlenförderungen dort doch um so viel reichlicher, daß im ganzen die englische
Produktion die unsrige noch um rund % 300 Mill. übertrifft. Rund 9/i0 der
in der Mineralproduktion tätigen 1000 000 Personen sind im Kohlenberg-
bau beschäftigt. Er hat die gewaltige Eisenindustrie mit dem Mittelpunkte
Birmingham und dem durch seine Messer und Werkzeuge bekannten Sheffield
(vgl. Solingen-Remscheid) geschaffen. Wir sahen bereits (S. 100), daß es uns
erst in allerletzter Zeit gelungen ist, England in dieser Beziehung zu überholen.
Dieser Erfolg ist um so beachtenswerter, da in England Kohlen- und Eisenlager
meist dicht beieinander, bei uns aber getrennt liegen.
Auf den Kohlenreichtum gründet sich heute auch der wichtigste Industriezweig, /
in dem uns England noch weit überlegen ist, die Textilindustrie. (Vgl./
S. 44 und 83.) Obgleich die Baumwolle wie bei uns eingeführt werden
muß, hält keine deutsche Textilindustriestadt den Vergleich mit Manchester und
seiner Umgebung aus. Hier wird nicht allein Baumwolle, sondern auch Wolle
(besonders in Leeds) verarbeitet. Es dürfte uns kaum gelingen, in absehbarer
Zeit den gewaltigen englischen Vorsprung einzuholen.
Das Gleiche gilt von dem englischen Schiffbau. Von den 1909 gebauten /
1,5 Mill. t Schiffen der Welt stammten eine Million aus den englischen Wersten/
in Glasgow, Hull, London, Liverpool usw., und nur V» Mill. aus Deutsch¬
land. Dagegen sind wir in der chemischen und elektrischen Industrie Eng-
land erheblich überlegen, ^y^-v ,/* . i/^~i /
B. Die Bevölkerung 'England selbst ha^zwar eine dichtere Bevölkerung
als Deutschland — 145 Einwohner auf 1 qkm gegen 120 in Deutschland
besitzt aber, da sein Boden nur 5/a des deutschen (300000 qkm gegen 540000)
beträgt, nur 45 Millionen Einwohner, also 20 Millionen weniger als wir.
Demgegenüber erscheint sein Kolonialbesitz, d'er 100 mal so groß wie das
Mutterland ist und fast 10 mal so viel Einwohner hat, ungeheuer groß. Unser
deutscher Kolonialbesitz beträgt nur das sechsfache des Mutterlandes und hat
nur XU der deutschen Einwohnerzahl an Bewohnern. England hat auch bereits
die Gefahr, die in einem derartigen Mißverhältnis liegt, erkannt. (Vgl. S. 118.)
Der Engländer ist wie der Deutsche Germane, und es wäre für die
Erhaltung des Weltfriedens recht gut, wenn beide Völker sich dieser Stammes-
Verwandtschaft stets bewußt blieben. Auch insofern besteht eine gewisse Ähnlich-
keit, als wir gegen die Polen, die Engländer gegen die Iren politisch zu
kämpfen haben und beide Volksstämme sich als die Unterdrückten sühlen.
Im Charakter zeigt der Engländer alle Eigenschaften, die für einen
Weltbeherrscher nötig sind: er ist ruhig und kaltblütig überlegend, weitschauend,
unternehmungslustig, berechnend, dabei jedoch vielfach konservativ in seinen
Anschauungen und trotz aller Christlichkeit rücksichtslos in der Vertretung seiner
Interessen. Eine tief empfundene Heimatsliebe und ein Festhalten an den
Sitten der Heimat kennzeichnet ihn überall im Auslande, sehr im Gegensatz
zum Deutschen, der leider vielfach möglichst bemüht ist, durch Nachäffung des