Full text: Die Provinz Hannover

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Den Marschall d'Etrees hatten die Vorgänge um die Ohmsburg mit 
gerechter Besorgnis erfüllt. Allerlei beunruhigende Gerüchte mögen mit dazu 
geholfen haben, daß auch er sich für geschlagen hielt und ebenfalls den Rückzug 
anordnete. Im entscheidenden Augenblicke sah indessen der Herzog von Orleans, 
daß der Feind bereits abgezogen war, und rückte mit seiner Brigade wieder vor. 
Die anderen folgten nach, und so lagerten die Franzosen des Nachts auf dem 
eroberten Schlachtfelde. Der Tag war und bleibt eine Niederlage für die 
Alliierten. 
[21] Woltmann. 
79. Cdle CharakterMe Herzogs Erich des Alteren von Kalenberg. 
Zur Zeit der Reformation herrschte über Kalenberg Herzog Erich der 
Ältere, der bekannte Freund und Waffengenosse des Kaisers Maximilian, welchem 
er in der Schlacht bei Regensburg 1504 das Leben rettete. Als Kaiser Maxi- 
milian nach dieser Schlacht die Festung Kufstein in Tyrol belagerte, war 
auch Herzog Erich unter den zahlreichen Rittern, welche an der schwierigen 
Belagerung teilnahmen. Lange dauerte die Belagerung. Da schwor der Kaiser, die 
gesamte zur Übergabe so wenig geneigte Besatzung aufhängen zu lassen, sobald 
die Festung in seinen Händen sei. Wer eine Fürsprache wagen werde, den 
solle ein Backenstreich züchtigen. Dennoch wagte Herzog Erich, als die Feste 
endlich übergeben worden war und schon mehrere von der Besatzung das Leben 
verloren hatten, von edlem Mitleid getrieben, diese Fürsprache und erhielt zu 
seiuer großen Freude Begnadigung für die noch übrigen Tapferen. Seinem 
Schwüre zu genügen, erhob der Kaiser die Hand und schlug den Herzog lächelnd 
sanft auf die Wange. 
Nach Beendigung der Hildesheimischen Stistsfehde befand sich der Herzog 
in einer großen Schuldenlast, welche neben den Kriegskosten noch durch wuchernde 
Gläubiger vermehrt wurde. Weit entfernt aber war der edle Fürst, sich an 
seinen durch die Kriegsdrangsale schon so hart mitgenommenen armen Unter- 
thanen zu erholen. Um vielmehr die Last von diesen fern zu halten, veräußerte 
er seine kostbarsten Kleinodien, wie schmerzlich ihm auch die Verzichtleistung auf 
manche derselben sein mochte. Selbst sein liebstes Prachtstück, ein aus Gold 
gearbeiteter und mit Edelsteinen besetzter Mundbecher, mußte verkauft werden. 
Als die Reihe an diesen ihm so teuren Pokal kam und der damalige Kanzler 
Jakob Reinharter, welchen diese edelmütige Selbstverleugnung des Fürsten tief 
rührte, den Herzog davon zurückbringen wollte, erwiderte der wackre Fürst: 
„Ja, mein lieber Kanzler! Aber wie soll ich's denn machen? Ich bin ein 
armer Fürst, und meine armen Leutlein können mir nicht mehr geben!" 
Überhaupt trug der Herzog ein Herz im Busen, das nie gefühllos blieb 
bei der Not seiner Unterthanen, welche er wie ein Vater liebte. Dies bewies 
er auf eine glänzende Weise bei dem Brande zu Hardegsen im Jahre 1533. 
Ohne Verzug eilte er auf erhaltene Nachricht an den Ort des Unglücks und 
ward bis zu Thränen gerührt, als ihm die abgebraunten Bürger mit ihren 
weinenden Weibern und jammernden Kindern entgegen kamen. Nicht nur 
tröstend und ratend, sondern auch helfend, wie es einem liebevollen Landes -
	        
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