Full text: Erdkunde in anschaulich-ausführlicher Bearbeitung (Nr. 6)

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An die Stelle des Christentums trat nun die muhamedanische Lehre. Aber unjer der 
Herrschaft des Sultans und seiner Paschas sank das Land immer tiefer von seiner 
früheren Höhe herab. Da wurde kein Weg angelegt, keine Brücke gebaut. Die Mi- 
neralfchätze des Bodens bleiben noch heute unbeachtet liegen, und selbst die fruchtbarsten 
Gefilde sind stellenweise zur Einöde geworden. Das Land ist daher in eine ungeheure 
Schuldenlast geraten, und der Sultan gleicht einem „kranken Manne", von dem ein 
Glied nach dem andern sich ablöst. Schon 1821 rissen sich die Griechen von der 
Türkei los, und durch den Berliner Frieden von 1878 verlor die Türkei Montenegro, 
Serbien und Rumänien, die für selbständige Staaten erklärt wurden. Bosnien, die 
Herzegowina und Bulgarien gehören zwar dem Namen nach noch zur Türkei, doch 
werden die beiden erstgenannten Länder von Ostreich verwaltet, während Bulgarien 
einen besonderen Fürsten hat. 
4. Städte. Die Hauptstadt der Türkei ist Konstantinopel (900 T.). 
Konstantinopel liegt an der 7 km breiten Straße von Konstantinopel. Das 
goldne Horn, eine schmale Meereszunge, trennt die eigentliche Stadt von den Vorstädten 
Galata und Pera, wo vornehmlich die „Franken" (so werden die nicht türkischen Euro- 
päer genannt) und die fremden Gesandten wohnen. Einen schönen Anblick gewährt 
die Stadt vom Meere aus. Gleich im Vordergrunde erblickt man das Serail, den 
Palast des Sultans, für sich allein schon eine Stadt voller Paläste und Gärten. (Das 
Eingangsthor zum Palast des Großwesirs bildet die „hohe Pforte", wonach oft der 
ganze Staat benannt wird.) Hinter dem Serail sieht man gewaltige Häusermassen, 
aus denen sich zahllose Kuppeln mit ihren schlanken Türmen (Minarets) erheben. Das 
Innere der Stadt ist unschön. Die Straßen sind schmal und selten gepflastert und 
daher zur Regenzeit mit großen, stinkenden Kotlachen angefüllt. Die einzigen Straßen- 
reiniger sind die herrenlosen Hunde, welche zu Tausenden in der Stadt umherlaufen 
und den auf die Straße geworfenen Unrat mit Heißhunger verschlingen. Überall im 
Kote trifft man runde Löcher, in denen ganze Hundefamilien hausen. Kein Türke 
thut den Tieren etwas zu leide, so gebietet es der Koran. Dieser verlangt auch täg- 
liches Waschen und Baden, daher findet man über 300 öffentliche Bäder in der Stadt. 
Andre wichtige Städte sind: Adrianopel (an?), Saloniki, nächst Konstan- 
tinopel die größte Handelsstadt des Landes, und Philippopel (an?), Hauptstadt der 
von einem selbständigen christlichen Gouverneur verwalteten Provinz Ostrumelien. 
5. Zur Türkei gehört auch die Insel Kreta. 
b. Das Fürstentum Bulgarien, türkischer Vasallenstaat, Hauptstadt Sofia. 
o. Bosnien und Herzegowina, früher türkisch, steht jetzt unter Ostreichs Ver- 
waltung. 
d. Das Fürstentum Montenegro mit der Hauptstadt Cetinje stschettinjeZ. 
e. Das Königreich Serbien mit der Hauptstadt Belgrad. 
f. Das Königreich Rumänien mit der Hauptstadt Bukarest (220 T.). 
g. Das Königreich Griechenland. Städte: Athen (Hauptstadt 120 T.), Ko- 
rinth, am gleichnamigen Meerbusen (Ausfuhr von „Korinthen"). Inseln: Euböa, 
die Cykladen und die jonischen Inseln. 
6. Land und Leute. Griechenland, in alter Zeit das Land der Bildung, ist 
durch die frühere Türkeuwirtschaft sehr von seiner Höhe herabgesunken. Die frucht- 
barsten Felder liegen zur Hälfte unbebaut da, nur auf den Höhen trifft man noch 
größere Wälder; in der Ebene haben sie meist den Viehweiden weichen müssen. 
Doch beginnt es jetzt überall besser zu werden. Man legt Landstraßen an, baut 
Brücken, durchzieht das Land mit Eisenbahnen, gräbt einen Kaual durch die Land- 
enge von Korinth u. s. w. An vielen Orten ist jedoch der Wagen noch ein ganz 
unbekanntes Ding, und der geringe Verkehr wird mit Maultieren und Eseln aus 
schmalen Saumpfaden vermittelt. Die Griechen haben zu Ackerbau und Gewerbe
	        
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