fullscreen: Lesebuch für Schlesien

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2. Drei Tage später, als der Verwundete wieder bei voller Be¬ 
sinnung war, vernahm er plötzlich von draußen ein brausendes Geräusch 
und ein donnerndes Hurra. Das kam von den vielen auf der Straße 
liegenden Verwundeten unb galt dem König Wilhelm, der eben am 
Hause vorüberfuhr. Er hatte am Tage vorher auch die dritte Schlacht 
geschlagen und kehrte jetzt in sein Quartier zurück. Durch das Fenster 
sah der Leutnant von Zedtwitz die Pferde des königlichen Wagens. Rasch 
uahm er die schönste Rose aus dem Glase und schickte einen Trompeter, 
der bei ihm war, mit ihr zum Könige. 
Der Mann sollte zu dem Könige sagen: „Ein schwerverwundeter 
Offizier, der wohl schwerlich die nächsten Tage überleben wird, schickt 
Eurer Majestät diese Rose als Siegesgruß." 
Der König war tief gerührt. Er befahl dem Kutscher langsam zu 
fahren und nahm die Rose an. Als er sie in das Knopfloch seines 
Rockes steckte, fragte er nach dem Namen des Offiziers, dankte und 
wünschte ihm gute Besserung. Dann ließ er schnell weiterfahren. 
3. Ewald von Zedtwitz wurde wieder gesund, wenn auch lange 
Zeit darüber verging, bis seine Wunden heil wurden. Als der Friede 
karn, wurde er als Hauptmann nach Halberstadt versetzt. Am Weih¬ 
nachtsabend des Jahres 1871 kam auf einmal eine große Kiste aus 
Berlin für ihn an. Als er die Kiste aufmachte, fand er darin ein 
schönes Bild, auf dessen oberer Rahmenleiste eine schwere silberne Rose 
angebracht war. Dabei lag ein Schreiben vom Könige, worin stand: 
In dankbarer Erinnerung an den mir unvergeßlichen Augenblick, 
wo Sie, schwerverwundet, in Gorze am 19. August 1870 mir eine 
Rose nachsandten, lind ich, Sie nicht kennend, an Ihrem Schmerzens¬ 
lager vorübergefahren war, fenbe ich das beikommende Bild, damit man 
noch in späten Zeiten wisse, wie Sie in solchen! Augenblick Ihres 
Königs gedachten, und wie dankbar er Ihnen bleibt. 
Weihnachten 1871. Wilhelni. 
Dr. Christian Spiclinann. (Schülerhefte für den vaterländischen Geschichtsunterricht.) 
123. Kaiser Wilhelm I. 
n) Kaiser Wilhelm am Eckfenster seines Palastes Unter den Linden. 
1. Wenn der Kaiser in seiner Reichshauptstadt war, versammelten 
sich täglich um die Mittagstunde Tausende von Menschen vor seinem 
Schlosse, um den geliebten Kaiser beim Aufziehen der Wache an dem be¬ 
kannten Fenster erscheinen zu sehen, in sein ehrwürdiges Antlitz zu blicken 
und ihm ehrerbietige Grüße zuzuwinken. Diese Ansanunlnngen vor dem 
Schlosse waren seit Jahren schon zur täglichen Gewohnheit der Berliner 
und namentlich aller die Hauptstadt besuchenden Fremden geworden.
	        
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