II, Frühling.
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Wir wollen einige dieser goldenen Strahlen herausziehen. Ihr werdet
denken, das sind Blumenblätter. Doch nein, jedes gelbe Blättchen ist eine
vollständige Blüte für sich. Mehr als hundert Blüten sitzen hier dicht
beisammen. So bildet diese Blume eine wahre Blütenstadt. Die
einzelnen Blüten sind die Häuser, sie sehen aus, als wären sie von purem
Golde. Wie sieht der Boden aus, auf dem sie stehen? Der weiße Blüten-
boden ist das Straßenpflaster; es ist wie von Porzellan. Diese Blüten-
stadt ist auch von einer doppelten Mauer umgeben. Was meine ich wohl
damit? Woraus wird diese innere Mauer gebildet? woraus die äußere?
Viele Fremden vergnügen sich in den goldenen, honigreichen Häusern. Wer
sind die Fremden, die diese Blumenstadt besuchen? Kleine Käferlein nehmen
hier ihr Nachtquartier, sie legen sich mitten hinein, wie in ein weiches Bett
und schlafen, bis die warmen Sonnenstrahlen sie wieder aufwecken. — Aber
nur bei schönem Wetter sind die Tore dieser Blumenstadt geöffnet. Wenn
es regnet, und wenn der Abend kommt, werden sie sorgsam verschlossen. —
Wiederholung.
IV. Wermehrung. Nach und nach verblüht unsere Blume und nimmt
diese Gestalt an. Was seht ihr an dieser verblühten Blume? Diese kleinen
braunen Punkte sind die Samenkörner. Jedes Samenkörnchen streckt ein
feines Stielchen nach oben. Auf dem Stielchen steht ein zarter, weißer
Federkranz als Schmuck und als Flügel. Die gelben Blüten fallen ab,
und nun steht das weiße, wollige Köpfchen da. Nun kommt der Wind,
nimmt die Samenkörnchen bei den Haaren und führt sie mit sich fort. Die
einen fliegen dahin, die andern dorthin. Einige lassen sich auf der Wiese,
andere am Wege nieder; manche steigen auf einen hohen Berg, andere bleiben
auf einer Mauer sitzen. Jedes Samenkörnchen ist mit zarten Widerhaken
besetzt, damit haftet's an der Erde. Der Wind kommt wieder und streut
ein klein wenig Erde auf das Körnchen. Er deckt es damit zu wie mit
einem Bettchen. Da schläft es nun. Wenn es aber lange genug geschlafen
hat, dann wird's geweckt von der lieben Sonne. Da hat es großen Durst.
Und die Wolken kommen gezogen und bringen ihm zu trinken, damit es
keimt. Was bildet sich nun nach unten? Was wächst nach oben? Seht, so
entsteht eine neue Pflanze. (Nach Wagner.) Die Kinder spielen auch gern
mit dem Wollköpfchen. Was tut ihr damit? Wozu tragt ihr bei, wenn
ihr die wolligen Köpfchen in die Luft blast? In manchen Gegenden singen
die Kinder ein Verschen dazu:
„Blas die Lampe aus, steck das Licht an,
Mach die Türe auf, daß ich sehen kann!"
Dieses Abblasen des Wollköpfchens ist aber nicht ungefährlich. Leicht blast
ihr euch ein solches Samenkörnchen in die Augen. Dort hakt es sich mit
dem Widerhaken fest, und das Auge wird krank.
W ernecke, Anschauungsunterricht. 2. Aufl. Z