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richtete er auf dem Untersberg zu Ehren der Gottesmutter eine Marien-
kapelle. Bon nun an hieß der Untersberg Marienhügel. Die Sage
erzählt, daß Bonifatius die Kapelle aus dem Holze der bei Bechstedt ge-
fällten Donarseiche erbaut habe. Nach dem Glaubeustod des Bonifacius
wurde das Kirchlein die Begräbnisstätte zweier seiner Begleiter, der beiden
Heiligen Adolar und Eoban, und zugleich Wallfahrtskirche. Nun flössen
ihr reichlich Gaben zu, sodaß bald eiu stattlicher Neubau in romanischer
Bauart errichtet werden konnte (um 1154.) Von ihm sind noch die
beiden seitlichen Türme vorhanden. Auch im Kreuzgang wechseln ro-
manische Formen mit gotischen. Der weitere Ausbau des Gotteshauses
erfolgte von der Mitte des 13. Jhrhdts, in verschiedenen Abschnitten in
gotischer Bauart. Ein Meisterwerk ist das hohe Chor (geweiht 1371),
welches sich auf gewaltigen Mauerpfeilern und Gewölben, der sogenannten
Kavate, erhebt. Die Anlage des 25 m hohen Vorbaues mit 10 großen
Bogen erlaubte den Einbau einer Unterkirche oder Krypta, welche noch
vorhanden ist. Sie ist in der Osterzeit eines jeden Jahres geöffnet.
Beim Bauen fand man die Überreste der beiden Heiligen. Man legte sie
in einen silbernen Sarg und stellte sie den Gläubigen zur andächtigen
Verehrung aus. Alle 7 Jahre wurde ihnen zu Ehren ein großer Um-
zug unternommen. An ihm beteiligten sich nicht nur die Geistlichen,
sondern auch der Rat und viele tausend herbeigeeilte Pilger.
Der Sarg wurde dabei von 12 Ratsherren getragen. Alle Glocken
läuteten, und waffentragende Bürger begleiteten den Zug. Das letzte
Mal wurde der Umzug 1521 gefeiert. Er fand durch den Bauernauf-
stand sein Ende. Zum bequemen Aufstieg wurden damals die 70 breiten
Stufen angelegt. Man belegte aber nur den mittleren Raum der Treppe.
In ihrer jetzigen Gestalt stammt sie aus dem Jahre 1850. Gleichzeitig
mit der Krypta (um 1350) wurde auch der Triangel, jener einzigartige,
dreiseitige Domeingang, errichtet. Über seinen Spitzbögen erheben sich mit
gotischem Maßwerk geschmückte Ziergiebel, Wimperge genannt. Ihre
Kanten sind reich mit Kriechblumen oder Krabben besetzt. Die Spitze ist
von einer Kreuzblume gekrönt. In den tiefen Laibungen des Nordosttores
stehen in Stein die Apostel, in denen des Nordwesttores die törichten und
klugen Jungfrauen. Nach 1450 wurde das Langhaus des Domes aber-
mals erweitert. Es war bis dahin flachgedeckt und wurde nun gewölbt.
Dadurch war man gezwungen, das Dach zu erhöhen. Damit aber verlor
die bisherige Turmzier ihre Wirkung. Man sah sich darum genötigt, den
Mittelturm zu errichten. Er erreicht eine Höhe von 66 m. Rechnet man
den Unterbau dazu, so erhebt sich der Turm rund 90 m über dem vor¬
liegenden Friedrich Wilhelmsplatz. Aber auch der Bau war nur von
kurzer Dauer. Durch die ruchlose Tat des Brandstifters Dietrich Becker
ging am 19. Juni 1472 der Dom in Flammen auf. Mit ihm teilte die
Severikirche gleiches Schicksal. Doch schon wenige Jahre darauf erstanden
beide durch die Opferfreudigkeit der Gläubigen in neuer Schönheit. Schon
1476 wurde die Domkirche wieder geweiht, und ehe das Jahrhundert
endete, rief eine neue Gloriosa die Gemeinde zu Gottes Ruhm und Ehre