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ländischen Gardinen aus. — Die Umgebung Falkensteins ist von der Natur
wohl bedacht. Da erheben sich der wunderbar geformte Loch stein nnd
der aussichtsreiche Wendelstein, die von naturliebenden Bewohnern der
Stadt mit schönen und wohlgepflegten Wegen und Anlagen versehen
worden sind.
Auf meiner Wanderung begrüßt mich sodann das freundliche Auer-
bach, die Hauptstadt der dritten vogtländischen Amtshauptmannschaft. Es
entstand wahrscheinlich zu gleicher Zeit wie Falkenstein. Ein festes Schloß
wurde hier erbaut, das im vorigen Jahrhunderte mit dem größten Teile der
Stadt durch eiuen großen Brand zerstört wurde. Nur ein hoher dicker
Tnrm, der noch heute mit Wällen und Schutzwehren umgeben ist, blieb er-
halten und schaut vou der Höhe in die Stadt herab. — Zwei Eisenbahnen
fördern den Verkehr der industriereichen Stadt. Auch zwei besonders wich-
tige Schuleu befinden sich in der Stadt: Eine Lehrerbildungsanstalt be-
fähigt junge Männer, die Jugend in Stadt und Land zu guten Staats-
bürgern und rechtschaffenen Christen zu erzieheu, und eine landwirtschast-
liche Schule bietet dem jungen Landwirte Gelegenheit, sich die für seinen
Beruf nötigen nnd nützlichen Kenntnisse zu erwerbeu.
Wohlgemut ziehe ich von Auerbach weiter nach dem größten vogtlün-
dischen Dorfe Rode wisch. Hier werden in einem Messingwerke, lange Zeit
dem einzigen in Sachsen, das rote Kupfer und das grauweiße Ziuk iu schönes
goldgelbes Messing umgewandelt. Bei Rodewisch befindet sich auch die neu-
erbaute, große und vorzüglich eingerichtete Irrenanstalt Untergöltzsch.
Von Rodewisch an begleitet mich bis nach der dritten meiner Uferstädte,
Lengenfeld, die Eisenbahnlinie ZwickawÖlsnitz. Vor 500 Jahren war
Lengenfeld noch ein unscheinbares Dörfchen, das nicht einmal eine Kirche
hatte, und jetzt ist eine Stadt mit mehr denn 5000 Einwohnern. Inmitten
des Ortes erhebt sich eine schöne Kirche, und Hunderte von Einwohnern
finden Verdienst in verschiedenen großen Fabriken, in denen Tuch, Flanell,
Gardinen und Stickereien hergestellt werden.
Von Lengenfeld aus fließe ich iu einem freundlichen Thale westwärts
nach Mylau. Hier führt mich mein Weg am Fuße des Schloßberges vor
über. Den Scheitel des Berges krönt das altersgraue Gemäuer des Schlosses;
unten aber schmiegen sich die Häuser der Stadt au deu Berg an, als wollten
sie sich ducken und verstecken wie die Küchlein unter den schützenden Flügeln
der Gluckheuue. Auch die neue herrliche Kirche schaut grüßend zu mir ins
Thal herab. Gern möchte ich berichten, wie es vor langen Zeiten da oben
int alten Kaiserschlosse zuging, möchte dir erzählen von eisengepanzerten
Rittern und Knappen, die einst hier hausten, auch von deni deutschen Kaiser
Karl IV., der sich hier oft und gern zur Jagd aufhielt. Doch ich habe
wenig Zeit zum Erzähleu; denn Fabriken, Mühlen uud Färbereien erwarten
noch meine Hilfe. Indem ich ihnen zueile, begrüßt mich von der Höhe
Netzschkau; ein wenig weiter aber — und über mir rollen die Räder
des rastloseu Dampfrosses auf der größten steinernen Brücke in Sachsen, ja
in ganz Deutschland, der Göltzschthalbrücke dahin.
Dieses mächtige Bauwerk leitet in einer Höhe von 74 und einer Länge
von 512 Metern die stählernen Schienen über mein Thal. Es trägt wie ein
gewaltiger Riese ans steinernen Pfeilern und Bogen die ungeheuren Lasten,
die täglich in mehr als 100 Eisenbahnzügen darüber befördert werden.