Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

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Ti. Kaiser Karl VI. 
3. Die Quadrupel-Allianz 1718. 
Seit den Friedensschlüssen zu Utrecht und Rastadt ruhten allerdings 
die Waffen in ganz Westeuropa, aber zu einem förmlichen Friedens¬ 
schlüsse zwischen den beiden Prätendenten selbst war es nicht gekommen. 
Karl VI. führte zu lebhafter Entrüstung des Madrider Hofes den 
Titel eines Königs von Spanien und Großmeisters des goldenen 
Vließes fort; Philipp nannte ihn stets nur den Erzherzog und war 
entschlossen, bei der ersten Gelegenheit die altspanischen Theile Italiens: 
Neapel, Sardinien und Mailand seinem Reiche wieder zu gewinnen. 
Dieser Gedanke wurde noch verstärkt, als er im September 1714 sich in 
zweiter Ehe mit Elisabeth Farnese von Parma vermählte, welche, bei 
dem bevorstehenden Aussterben des farnesischen Mannsstammes in Parma 
oder des mediccischen in Florenz, Erbansprüche ans diese Landschaften 
besaß. Ihr lebhafter Sinn war früh auf politische Dinge, auf Ehr¬ 
geiz und Machtbesitz gerichtet. Da nun ihre eigenen Söhne keine Hoff¬ 
nung zur Thronfolge in Spanien hatten, so wünschte sie ihnen Für- 
stenthümer in Italien znzuwcnden. 
Politischen Rath nahm damals Elisabeth vor allem vom Cardinal 
Alberoni, unter dessen einsichtiger Leitung Spanien sich von den Nach¬ 
wehen des Krieges erholte. Es zeigte sich jetzt, daß der Verlust der 
Nebenlande ein reiner Gewinn für die Krone war; die Verwaltung 
und Behauptung Belgiens und Neapels hatten jährlich große Summen 
gekostet; 1717 stand die Einnahme des Staates viel höher als jemals 
unter den Habsburgern. Sein Wunsch war, den Frieden fort und 
fort zu erhalten, aber, um die Gunst seiner Herren zu bewahren, mußte 
auch er ihren Eroberungsgelüsten schmeicheln und wenigstens für die 
Zukunft Verwirklichung verheißen; damit aber untergrub er selbst sein 
Princip. Die Gefahr für Oesterreich war eben nicht groß. Weder England 
und Holland, noch auch Frankreich, dessen Regent, der Herzog von 
Orleans, mit König Philipp persönlich zerfallen war, wollten einen 
Bruch des Utrechter Rechtszustandes dulden, und alle diese Mächte 
schlossen ohne Zaudern eine Allianz mit dem Kaiser zur Einschränkung 
des spanischen Ehrgeizes. Karl hätte also allen. Grund gehabt, dem 
spanischen Angriff mit Gemüthsruhe entgegenzusehen und sich in dem 
aussichtreichen türkischen Kriege nicht beirren zu lassen. Allein eine andere 
war die Stimmung in Wien. Karl war völlig in der Hand seiner 
spanischen Räthe, und diesen war Deutschland zuwider und der Orient 
gleichgültig, während sie in den italienischen Provinzen, als einem 
Reste von Karl's spanischer Krone, die einzig wcrthvollcn Kleinodien 
seiner Herrschaft sahen. Der Kaiser hatte aus ihnen einen sogenannten 
spanischen Rath gebildet, und diesem die Verwaltung Mailands, Neapels, 
Sardiniens ausschließlich übertragen; alle höheren Aemter in diesen 
Provinzen wurden mit Spaniern besetzt, und der liebste Traum ihres 
Ehrgeizes war, von dort aus Spanien selbst zurück zu erobern. Karl 
beschloß, so schnell wie möglich mit den Türken Frieden zu schließen,
	        
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