Full text: Vaterländische Erdkunde (1)

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2. Die Entstehung des Rheinthales von Bingen bis Bonn. 
Bei Bingen schließt der Rheingau ab. Von rechts tritt der Taunus, — 
er heißt hier in seinen niederen Teilen Niederwald, — von links der Huns- 
rück hart an den Fluß. Wie durch ein mächtiges Felsenthor tritt dieser in die 
Gebirge ein (f. Bild Atlas, Anhg. S. 3) und beginnt den 100 km langen Lauf 
durch das euge Felsthal Bingen-Bonn. Bevor wir uns Bingen und Umgebung 
und die genannte Thalspalte näher ansehen, wollen wir versuchen, uns über die 
Entstehung derselben klar zu werden. 
(1. Entstehung des Aheinthntes.) Bei Betrachtung der Oberrheinischen 
Tiesebene (S. 68) haben wir erfahren, daß dieselbe einst einen mächtigen Meeres- 
arm bildete. Infolge gewisser Veränderungen (f. Hebnng der Hessischen Senke, 
längs der er mit dem nördlichen Ocean in Verbindung stand) wurde er zu einem 
Binnengewässer abgeschnürt. Indem dieses durch die einmündenden Flüsse „aus- 
gesüßt" wurde, verwandelte es sich in einen Süßwassersee. Derselbe mußte sich 
so hoch aufstauen, bis er irgendwo überfließen konnte, und zwar bot sich ihm 
als Abflußrinne eine leichte Senkung des damals noch ungeteilten Schiefer- 
gebirges. *) Ungefähr mit dem Plateau in gleicher Höhe floß das Wasser in 
großer Breite dahin, an 200 m über dem jetzigen Rheinbett. In jahrtausende- 
langer Arbeit nagte es sich nun tief und tiefer ein, wobei der See immer mehr 
zur Entleerung gelangte. Noch heute sieht man stellenweise an den Felswänden 
Spuren des frühereu Rheinbettes. So finden sich z. B. hoch oben bei der Feste 
Ehrenbreitstein ^Koblenz gegenüber) wagerechte, mit Geröll bedeckte Felsterrassen, 
die zweifellos das alte Rhein-Niveau andeuten. — Wahrscheinlich hat ein 
Wasserfall die Hauptnagearbeit geleistet. Da wo der alte, hochfließende Rhein 
bei dem heutigen Bonn den nördlichen Rand des Schiefergebirges erreichte, 
mußte er sich als Wasserfall in die Niederrheinische Tiesebene (Kölner Bucht) 
hübsche Gedicht von Emil Rittershaus, das hier zur Erheiterung des Lesers mitgeteilt 
werden möge, wenn es sich auch nicht für die Schule eignet. 
Die Rhein gauer Glocken. 
Wo's guten Wein im Rheingau giebt, Doch wo die Rebe schlecht gedeiht, 
Läßt man den Muud nicht trocken. Muß man die Äpfel pressen; 
Drum wer ein schönes Tröpfchen liebt, Da wird gar klein die Seligkeit 
Beacht' den Klang der Glocken! Dem Zecher zugemessen. 
Merk, ob du hörst den vollen Baß, Der Trank ist matt, das Geld ist rar, 
Ob dünn und schwach der Ton summ'! Man spart an Glock' und Klöppel — 
Wo edle Sorten ruh'n im Faß, Wein) Und von dem Turm hört immerdar 
Da klingt es: Vinum bonum! = (®uter Man eins nur: Äppelpäppel! Äppelpäppel! 
Vinum bonum! Yinum bonum! (lang- Äppelpäppel! Äppelpäppel! (schnell!) 
sam!) 
Mein Sohn, wo du den Ton vernimmst, 
Da kann dein Herz nicht lachen. 
Da rat' ich, daß du weiter schwimmst 
In dem bekränzten Nachen, — 
Doch wo das Baßgeläut erscholl, 
Da kehre nicht, mein Sohn, um, 
Da labe dich, der Andacht voll 
Und singe: Vinum bonum! 
Yinum bonum! Vinum bonum! 
x) Vielleicht war der Höhenunterschied zwischen Oberrheinischer Tiefebene uud Schiefer- 
gebirge damals weit geringer. Das Schiefergebirge war im langsamen Heben, bezw. die 
Tiefebene im Sinken begriffen.
	        
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