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in der Dämmerung gespenstisch von dem dunklen Boden ab. Außer ihr, die
aber auch nur vereinzelt das Moor belebt, erhebt sich kaum irgend ein Ge-
wachs über dem Boden. — Wenige nur kennen diese Eindrücke aus Erfahrung,
denn nur wenige wagen sich weit in diese weltverlassenen Gegenden vor. Und
eS ist auch uicht ratsam, denn es giebt manche Partien, durch deren trügerische
Decke man in den Morast hinabsinkt, langsam aber unrettbar. Im Saterland
bindet man an manchen Stellen Pferden und Kühen Bretter unter die Füße,
damit sie nicht im Moorschlamm versinken, und die Menschen schwingen sich bei
stark durchnäßten „Wegen" mit dem Springstock von Bult zu Bult. Diese
Unwegsam feit war einst den Römern, die wiederholt auch von der Emsmündung
aus (Drusus, Germaniens) ihre Eroberungszüge begannen, sehr hinderlich. Aber
sie schraken vor dieser Schwierigkeit nicht zurück, sie schufen lange Holzwege
aus starken Eichenbohlen, die man noch heute im Moore findet, — die Eisen¬
bahnschienen des Altertums.
Aber selbst in diese Einöde haben sich menschliche Bewohner verloren.
Von der Armseligkeit ihrer Lebensverhältnisse macht man sich schwer einen Be-
griff. Ihre aus Torf erbauten „Plaggenhütten" gleichen mehr einer Erdhöhle.
Sie umschließen meist nur einen Raum, in dessen einer Ecke notdürftig ein be-
fonderes Behältnis für die kleine Moorkuh und ein paar zottige Moorschafe
abgezäunt ist. Ein Sandhausen in der Mitte der Diele bildet den Herd, auf
dem das Torffeuer fchwelt. Um ihn herum sitzt oder hockt au Winterabenden
die Familie, wobei nicht bloß der Vater, sondern auch die Mutter den ohnehin
vorhandenen Rauch durch deu Qualm der Tabakspfeifen vermehrt. Unwillkürlich
erinnert man sich bei einem Besuch dieser Wohnstätten an die Wohnungen der
alten Deutschen, wie sie uns von den Römern beschrieben werden, und man
darf mit Recht sagen, daß diese „Moorker" tatsächlich noch ebenso wohnen und
leben, wie vor zwei Jahrtausenden ihre Vorfahren (die Chanken, Angrivarier u. f. w.).
Eine grenzenlose Unwissenheit uud der schwärzeste Aberglaube haben hier eine
Heimat. — Seit zwei Jahrtausenden wird diesen „Eingeborenen" das Moor
jedoch streitig gemacht von einem intelligenteren, regsameren Menschenschlag, den
Moorkolonisten, die Schritt für Schritt von der Geest aus in das Moor
vordringen (f. unten).
Aus den Mooren gewinnt man den Tors.^) Die obersten Schichten liefern
den leichten Stechtorf (Pfeifentorf) von heller Farbe uud geringer Heizkraft;
darunter liegt ein brauner und noch tiefer ein schwarzer, schwerer Torf, der
schon an Braunkohlen erinnert (s. S. 113) und eine bedeutende Heizkraft besitzt.
— In ganz Oldenburg und im größten Teil Hannovers bildet der Torf das
wichtigste Heizmaterial, nicht bloß für Ofen und Herde, sondern anch für die
Lokomotiven.
Moorkultur.
Von jeher waren die Moorbewohner bemüht, fich das Moor als Acker¬
land dienstbar zu machen. Als solches ist es nämlich in seinem Naturzustand
unbrauchbar. Es ist zu naß, zu kalt, zu lose und zu säurehaltig, so daß feine
Getreideart auf ihm gedeiht. Anf dreierlei Weife nun versucht man, das Moor
i) Auffällig ist, wie fast in allen europäischen Sprachen der Torf mit demselben
Wort benannt ist; englisch turf, dänisch torv, französisch tourbe, italienisch torba,
ungarisch turfa, russisch torf (Jndo-enropäischer Sprachstamm).