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Europa.
schreitet, nachdem er sie unter seinen weichen Wellenformen begraben. —
3) Aber bei allem Schaden, den der Dünensand in den Küstengegenden
anrichtet, haben die Dünen ihren großen Wert, Namentlich in unseren
deutschen Küstengegenden ist ihr Nutzen wahrscheinlich diel größer, als der
doch immer nur auf bestimmte Örtlichkeiten beschränkte Schaden, den sie
/ mit ihren Sandwehen anrichten. Sie wirken als natürliche Dämme gegen
das Meer, als Dämme, die das Meer und die Winde sich selbst gerade
da ausgeworfen haben, wo ihre Heftigkeit am größten ist. Unsere friesischen
Inseln, in erster Linie das reizende Sylt, werden vorwiegend nur durch
ihre Dünen vor den Zerstörungen bewahrt, welche die furchtbaren Nord-
weststürme ihren westlichen Küsten zufügen würden. Auf allen diesen Inseln
und ebenso anch an den schleswigschen Festlandsküsten liegen die Ortschaften
hinter den Dünen, so daß man sich einer solchen Küste wie einer gänzlich
unbewohnten nähert. Man sieht zuerst nur die gelben Dünenwände, und
erst wenn man diese überschritten, überblickt man das lachende Bild, das
die lieblich grünen Matten, die Gärten, die Häuser mit ihren roten Ziegel-
dächern, die Dörfer bieten, in denen deutscher Biedersinn und holländische
Reinlichkeit herrschen. Nach Ratzel.
11. Die Halligen.
1. Wie es auf ihnen aussieht. 2. Eine Sturmnacht.
1). An der Westküste von Schleswig-Holstein finden sich mehrere Inseln,
die Uberreste von größeren Landstrecken, die dem Meere zum Raube gefallen
sind. Die größeren dieser Eilande sind teils durch Deiche, teils durch
Dünen vor den Wogen geschützt. Jni Gegensatz zu ihnen werden die
kleineren Eilande Halligen genannt. Eine solche Hallig ist ein flaches
Grasfeld, das kanm einen Meter höher liegt, als der gewöhnliche Meeres-
strand, weshalb sie anch häufig von den Wogen des Meeres überflutet
wird. Die bedeutendsten dieser Halligen sind noch keine halbe Quadrat-
meile groß; die kleineren, oft nur von einer Familie bewohnten, kaum ein
paar Tausend Schritt lang und breit. Auf künstlichen Erderhöhungen oder
Werften stehen die einzelnen Wohnungen, die selten mehr Raum auf der
sich fchräg absenkenden Höhe lassen, als zu einem schmalen Gang um die
Hütte erforderlich ist. Daher trifft man denn anch auf fast allen Halligen
keinen Fleck Gartenland für ein wenig Gemüse, keinen Strauch niit einer
erquickenden Beere, keinen Baum zu einem Ruheplatze im Schatten. Nur
ein wenig kurzes Heu wird gewonnen, das aber sehr oft, ehe es geborgen
werden kann, von der Flnt weggespült wird. Qnellwasser findet sich selbst-
verständlich nicht. Aus der Werfte wird ein Behältnis ausgegraben uud
ringsum mit Grasfoden ausgesetzt; dahin mag sich Regenwasser von oben
her sammeln oder von den Seiten durchsickern; es dient den Schafen zur
Tränke und ihren Herren zur Bereitung ihres Thees. — 2) Das Meer,
das die Halligen umgiebt, bricht bald mit langsam untergrabender Macht,
bald mit wildstürmender Gewalt ein Stück Land nach dem anderen von
den Eilanden ab, so daß der Halligbewohner schon die Jahre zählen kann,
wann den Hütten und den Herden der letzte Raum genommen sein wird.
Unterdes aber bringen Hochfluten dann und wann furchtbare Bedrängnis,
besonders wenn gleichzeitig mit der Flut der Sturm auf das Eiland ein-
bricht. Dann bricht vom Erdhügel ein Stück nach dem anderen los und