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Burgartig umwallt und von hohen Bänmen beschattet, liegen hier die stattlichen
Bauernhöfe. Eintöniger, ja geradezu düster hingegen ist die südwestliche Gegend
der Bretagne, die „Bretagne bretonnante", von Granit überschüttet und reich
an Denkmälern der Vorzeit, mit echt keltischer Bevölkerung, die dem übrigen
Frankreich bisher fremd geblieben ist. Auf menschenleeren Pfaden und Land-
straßen wird man hier durch öde Heidestreckeu und über eintönige Höhenzüge
hinweg zn traurigen Dörfern, einsamen Gehöften und schmutzigen Städten mit
holprigen Gassen und altertümlichen Gebäuden, zu dem nebligen, felsenum-
gürteten Meere geführt. Dasselbe bildet gegen Norden zwischen der Bretagne
und Normandie einen großen, von Klippen und Untiefen erfüllten Busen, dessen
reißende Fluten das Festland zersetzen und dadurch jene Untiefen vermehren.
Der innere Teil des Busens, die Bai des Mont St. Michel ist völlig ver-
fandet und der frühere landfeste Felsen, auf welchem das Kloster St. Michel
steht, jetzt durch ein Watt vom Festlande getrennt. Ein solches Gestade, an
welchem Flachküsten mit Klippen und Steilküsten abwechseln, ist für einen fried-
lichen Handelsverkehr ungünstig, wohingegen fie zur EntWickelung von Piraterie
und Korfarentum führen muß. St. Malo ist der Vereinigungspunkt der fran-
zöfifchen Korsaren während der französisch-englischen Kriege gewesen.
Heiterer lacht im Nordosten die Landschaft Burgund und dieselbe er-
scheint besonders anziehend, wenn man aus der ernsten, dürren Gegend von
Antun und von dem Plateau von Morvan naht. Die heutige französische
Landschaft Burgund ist nur ein kleiner Teil des großen Gebietes, welches im
Mittelalter und zu Ansang der neueren Zeit diesen Namen geführt hat. Wer
die Saöne hinauf wandert und über Chalon die Cöte d' Or und das Plateau
vou Dijon umgeht, um dann gegen Auxerre wieder hinabzusteigen, der schant
den landschaftlich gesegnetsten Teil der jetzigen Bourgogne, das schöne, weinreiche
Land, wo die Städte das Weinblatt schon im Wappen tragen, wo sich alle Welt
Bruder oder Vetter nennt, das Land der Bonvivants und des fröhlichen Humors.
Glänzende Abteien begegnen uns hier, wie St. Benigne bei Dijon, das be-
rühmte Cluuy bei Macon und Citeaux in der Nähe von Chalon; alle bei
ihrem Reichtum an Wein weniger für ein asketisches als für ein behaglich fröh-
liches Leben geeignet.
Zwischen diesem prächtigen Lande und dem ebenen Kreidelande der
Champagne besteht wieder ein merkwürdiger Gegensatz. Der wüstere Strich
der letzteren, die „Champagne pouilleuse", ist flach und fahl, eine trostlose
Prosa, aber auch der andre, etwas bessere Teil hat wenig Anziehendes. Un-
scheinbare Bäche wälzen ihr Wasser zwischen langweiligen Pappelreihen dahin
und kümmerliches Vieh sucht aus den dürren Ebenen spärliche Nahrung. Die
Häuser der Dörfer und Städte bestehen aus bröckligem Stein, der nur schwer
das hohe Schiefer- oder Schindeldach zu tragen scheint. Aus diesen weißen
Ebenen und dürren Hängen nun reift der leichte Wein des Nordens, eine
eigenfinnige, kapriziöse Pflanze, deren Gewächs alles erst der Arbeit und
Pflege, nicht dem Boden verdankt. Es ist fürwahr ein trauriges Gewächs, das
der Boden hier spendet, und uur zu schäumendem Champagner „verarbeitet",
wird es genießbar. Nach M. Ruith.