Full text: Landschaftliche Charakterbilder der hervorragendsten Gegenden der Erde

370 Amerika. 
Wenn nun auch die Eingeboruen durch Neger ersetzt wurden, so sind doch 
große Strecken sonst fruchtbaren Bodens noch jetzt verödet, weil sie infolge der 
Entwaldung ihre frühere Feuchtigkeit verloren haben. Überdies ist der Boden 
durch den unausgesetzten Ackerbau vielfach erschöpft worden. Trotzdem trifft 
wenigstens für Euba, Jamaika und Portorico sowie für einzelne der kleineren 
Inseln, teilweise auch heutzutage noch die Schilderung zu, welche Kolumbus in 
seinen Berichten über die von ihm daselbst entdeckte neue Welt entworfen hat. 
Von den Küsten Eubas sagt er, daß ihm dieses neu entdeckte Land noch schöner 
erscheine als das früher von ihm beschriebene. Er beklagt, nicht Worte zu finden, 
um die süßen Eindrücke wiederzugeben, die er empfangen hat. Er unterscheidet 
in Euba 7—8 verschiedene Palmenarten, die schöner und höher als die Dattel- 
palme sind; er berichtet, daß er in derselben Ebene Tannen und Palmen zu- 
sammmengruppiert gesehen hat. Die Anmut des Landes, sagt er serner, steht hoch 
über der der Ebene von Cordoba. Alle Bäume glänzen von immergrünem Laube 
und sind ewig mit Früchten beladen. Aus dem Boden stehen die Kräuter hoch und 
blühend. Die Lüfte find lau, wie im April in Kastilien; es fingt die Nachtigall süßer, 
als man es beschreiben kann. Bei Nacht singen wieder süß andre kleinere Vögel; 
auch höre ich uuseru Grashüpfer und die Frösche. Einmal kam ich in eine tief 
eingeschlossene Hafenbucht und sah, was kein Auge gesehen, hohes Gebirge, von 
dem lieblich die Wasser herabströmen. Das Gebirge war bedeckt mit Tannen 
und andern vielfach gestalteten, mit schönen Blüten geschmückten Bäumen. Den 
Strom hinaussteuerud, der in die Bucht mündete, war ich erstaunt über die 
kühlen Schatten, die kristallklaren Wasser und die Zahl der Singvögel. Es 
war mir, als möchte ich einen solchen Ort nie verlassen, als könnten tausend 
Zungen dies alles nicht wiedergeben, als weigere sich die verzauberte Hand, 
es niederzuschreiben. — Wir lernen hier ans den Worten eines litterarisch 
ganz ungebildeten Seemanns, so bemerkt Alexander von Humboldt, welche Macht 
die Schönheit der Natur in ihrer individuellen Gestaltung auf ein empfäng- 
liches Gemüt auszuüben vermag. — Wie Amboiua der Gewürznelken uud 
Bauda der Muskatnüsse, rühmt sich Jamaika des schönen Baumes, dessen 
Beeren den Piment liefern. Bis zur Höhe von 10 m erhebt sich diefe herrliche 
Myrtenart (Myrtus pimenta), deren glänzend grüne Blätter denen des Lorbeer- 
banmes gleichen. Im Juli und August sticht eine Unzahl weißer Blüten lieblich 
ab gegen das dichte, dunkle Laub der nach allen Seiten sich ausbreitenden Äste, 
während die vom leisesten Windhauch erweckten Düfte zugleich den Geruchsiuu 
erfreueu. Die Pimentmyrte wächst hie und da wild in Südamerika und West- 
indien, besonders aber an der Nordseite von Jamaika, auf den Anhöhen in der 
Nähe der Küste. Sie ist ein Kind der Natur, das nur durch diese selbst sich 
fortpflanzen läßt. In der Nähe einer Pimentplantage werden alle übrigen Hölzer 
abgehauen uud da, wo sie gerade liegen, dem Vermodern preisgegeben. Im 
Laufe eines Jahres sieht man dann Pimentpflanzen allerorten üppig hervor- 
wachsen. Werden nach zwei Jahren nur die stärksten Pimentbäumchen stehen 
gelassen, so hat man in etwa sieben Jahren die Pflanzen in ihrem vollstän- 
digsten Wachstum. Die noch grünen, in der Sonnenglut gedörrten Beeren des 
Baumes sind es, die, 50—75 kg von einem Baume geerntet, einen einträg- 
lichen Handelsartikel bilden. Nach Guthe, Alexander v. Humboldt und Hartwig.
	        
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