D. Aus der Erdlunde.
Galilaa“. Zuweilen bringen jah aus diesen Bergen hervorbrechende
Zugwinde und Windwirbel das friedliche Gewässer mit der Gewalt
des schweizerischen Föhns in wilden Aufruhr. Gewöhnlch tritt
aber bald wieder die frühere Stille ein. Der Reichtum des
Galilaischen Sees an trefflichen Fischen ist sehr grob, sein Wasser
rein, kühl und süß; Grund und Ufer sind sandig. RKlima und
Erdreich der umliegenden Landschaft begünstigen die Pflege der
tresflichsten Sũdfrũchte, der Datteln, Zitronen, Pomeranzen, der
Trauben und Melonen, wie den Anbau des Getreides und des Indigo.
Bei grõberer Betriebsamkeit der Menschen wũrde der tiefe Bergkessel
dieses Sees ein natürliches Treibhaus sein, in dem die edlen
Gewachse Agyptens und selbst Arabiens gedeihen könnten. Dichter
Baumwuchs und Buschwerk, mit Saatfeldern wechselnd, umkränzen
das nordwestliche Ufer; „vie Morgenrot der Tiefe ergießt sich das
rosenfarbige Blütenmeer der Oleanderbaume über Hügel und Tal;
aus den Gebüschen ertönt das Lied der Blaudrossel und der
Nachtigall und aus den Felsenhöhlen von Magdala die Stimme der
wilden Taube, die hier zu Hunderten umherfliegt und an den stech-
apfellörmigen Früchten der Lotosbäume gute Kost hat.
In diesem gesegneten Seetale drängte sich sonst eine uner-
mebliche Volksmenge im rũührigsten Verkehre. Blühende Städte und
gewerbreiche Flecken, vie Kapernaum, Chorazin, Bethsaida, Magdala
und Tiberias, samt ihren reizvollen Gärten, Feldern und Obsthainen,
welche zu jeder Zeit des Jahres reife Fruchte lieferten, umgürteten
im lieblichsten Wechsel den See, wie die kostbare Einfassung ein
köstliches Juwel. Gegen 2wölfhundert Fischer sanden hier ihre
Nahrung; mehr als 2weihundert Fahrzeuge — Fischerkahne, Reise-
barken, lustfanbrende Gondeln und Lastschiffe — durchkreuzten den
Wasserspiegel nach allen Richtungen und machten ihn zum gemein-
samen Tummelplatze aller umliegenden Stadte und Dõrfer.
Hier war der heitere, gesegnete Schauplatz der Wirksamkeit des
Herrn. Hier erlas er sich mit jenem durchdringenden Blicke und
Geiste, der wohl vubte, was im Menschen war, aus der Menge des
Volkes die tũchtigsten seiner Apostel; hier und im ganzen Umkreise
dieser Gestade warf der erhabene Menschenfischer unermũüdet das
Netz seiner herzgewinnenden Rede und seines holdseligen Wesens
aus, in den Schulen und Häusern, auf den blühendeen Uferhügeln
und vom Borde des Schiffes, vor dem Schmerzenslager der Kranken
und vor den Schreckensklüften der Besessenen.
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