402 202. Die sonderbare Mauer.
Wetter sehr kalt und stürmisch. Die guten Leute waren keinen Augenblick
sicher, ausgeplündert und jetzt zur rauhesten Jahreszeit von Haus und Hof
verjagt zu werden.
2. Großeltern, Eltern und Kinder blieben die ganze Nacht hindurch in
der Stube beieinander auf und beteten beständig. Die Großmutter las aus
einem Gebetbuche mit Inbrunst die Worte, die in einem älteren Kirchenliede
sich finden: Eine Mauer um uns bau', daß dem Feinde davor grau'. Der
junge Bauer, der andächtig zugehört hatte, meinte jedoch, das Aufführen von
einer Mauer sei gar zu viel von dem lieben Gott verlangt.
3. Indes ging die Nacht vorüber, ohne daß ein feindlicher Soldat in
das Haus kam. Alle im Hause wunderten sich darüber. Als sie aber morgens
sich vor die Thüre wagten, siehe, da war gegen jene Seite hin, wo die Feinde
standen, der Schnee vom Winde hoch wie eine Mauer aufgetürmt, so daß
man gar nicht hindurchkommen konnte.
Alle lobten und priesen Gott. Die Großmutter aber sagte: „Seht, so hat
Gott eine Mauer aufgeführt, die Feinde von unserer Wohnung abzuhalten.
Ich bleibe dabei:
Wer auf den lieben Gott vertraut,
Der hat auf festen Grund gebaut.“
203. Die Bchlacht bei Teipzig. 18. Oltober 1818.
1. Napoleon war von Gott geschlagen, sein großes Heer vernichtet. Der
Mann, welcher an der Spitze einer halben Million Krieger in Rußland ein⸗
gezogen war, hatte es als Flüchtling in einem Schlitten wieder verlassen und
war nach Frankreich zurückgeeilt, um alsbald ein neues Heer auszuheben und
mittelst desselben seine sinkende Macht zu stützen.
2. Diesen Augenblick ersahen sich die Preußen, schüttelten das schmähliche
französische Joch ab und erklärten am 27. März 1813 Frankreich den Krieg.
Mit bedeutenden Streitkräften zog Napoleon ihnen und den Russen entgegen.
Nach mehreren blutigen Schlachten, in denen die Preußen, namentlich unter
ihrem tapfern Feldmarschall Blücher, mit den Russen und den Osterreichern,
die sich gleichfalls gegen Napoleon erklärt hatten, an Tapferkeit wetteiferten
(die Tage bei Großgörschen, Großbeeren, an der Katzbach, bei Kulm, Denne—
witz, Wartenburg sind Zeugen davon), zogen sich die verbündeten Heere nach
Sachsen. Napoleon machte sich nach Leipzig auf, und die Verbündeten folgten
ihm dahin nach. Als er dies sah, lächelte er spöttisch und meinte, nun habe
er seine Feinde alle auf einem Fleck beisammen, nun werde er sie schlagen,
vernichten und dann sich abermals zum Herrn über Länder und Völker machen.
So kam Hochmut vor dem Fall.
3. Bald war eine Menge Krieger in der weiten Ebene um Leipzig ver⸗
sammelt. Napoleon hatte im Anfang die Überzahl; aber infolge des allmäh—
lichen Einrückens weiterer Truppen kämpfte er am 18. Oktober mit 150000