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zurück und behaltet den Jäger, bis der Graf des Dienstmannes Übermut
nach der Ordnung sühnen will-"
Hier unterbrachen die andern den Redner und hielten ihm vor, er
treibe seinen Groll wegen des leichten Hiebes doch zu weit, daß er nicht-
5 einmal durch soviel Güte zufriedenzustellen sei. Meister Richwin aber
erwiderte: „Spräche ich für mich, ich wäre wohl am meisten mit des
Grafen Vorschlag zufrieden, vorab wegen meines Hundes. Aber ich
rede hier als Ratsherr der Reichsstadt und sage: Fordert unser Recht,
und gebt dem Grafen das seine! Dem Grafen ist der Hund verfallen,
10 weil er seinen Wildbann durchbrochen, uns ist der Forstwart verfallen,
weil er unsern Burgfrieden verletzt hat. Aus Furcht vor dem Zorne
des Grasen wollte ich diesen Hund, meinen treuesten Freund, nicht aus¬
liefern, aber aus Furcht vor des Grafen Freundschaft liefere ich ihn aus.
Vorhin, da ich als des Hundes Anwalt sprach, hätte ich weinen mögen
15 über das arme Tier, jetzt spreche ich als der Anwalt unserer Gemeine,
und da möchte ich noch viel bittrere Tränen weinen über das heran¬
schleichende Verderben meiner armen Vaterstadt."
Der Meister hatte in den Wind gesprochen, er blieb allein mit
seinem Argwohn. Das Geschenk ward mit Dankesworten angenommen
20 und passend erwidert, der Dienstmann freigegeben, und Graf Johann von
Solms war bald, was er gewollt, der erklärte Freund und Beistand des
Wetzlarer Rates.
Als der Hirsch bei festlichem Mahle verzehrt und der Bacharacher
getrunken wurde, blieb Meister Richwin schmollend zu Hause, und Tasso
25 bekam nicht einen Knochen von dem Wilde, das er doch den Ratsherren
in die Küche gejagt hatte.
5.
Dies war geschehen im Jahre 1372. Im folgenden Jahre schlug man
vor dem Obertor von Wetzlar die heiße Schlacht, in der der Sternerbund
30 besiegt und vernichtet ward. Die Bürger der Reichsstadt fochten unter
der Führung des Grafen Johann von Solms, und der Landgraf von
Hessen und Otto von Solms-Braunfels teilten sich mit ihnen in die Ehre
des Tages. Meister Richwin war auch mit dabei.
Noch am Abend nach der Schlacht ließ Otto die gefangenen Ritter
35 der Sterner, die in seine Hand gefallen waren, enthaupten; Graf Johann
dagegen begnadigte die übrigen ohne seiner Verbündeten Vorwissen. „Merkt
auf!" sprach der Meister Richwin zu seinen Mitbürgern, „ein neues Warnungs¬
zeichen! Graf Johann hat doppeltes Spiel im Sinne und hält sich den
Weg offen nach rechts und links."
40 Die Wetzlarer aber achteten's nicht und meinten, der Meister bilde
sich doch gar zu treu nach seinem Hunde. Weil Tasso nicht mehr spiele,
sondern jetzt lieber knurre und beiße, so vermeine Richwin, er müsse nun