Full text: Heimatskunde der Provinz Westfalen

— 99 — 
geeignet war, da er sehr klein war und blieb. Wegen seiner unbe- 
deutenden Erscheinung wurde er, als er schon dreißig Jahre alt 
und Kammerpräsident war, noch für einen Knaben angesehen. Als 
der ihr unbekannte Präsident über ihre Zögerung, den Schlagbaum 
aufzuschließen, sich ereiferte, sagte eine münsterländische Bauern- 
srau: „Sü es, wat dat Jüngelsken fick krns mäket." Gewissenhaft 
waren die Eltern darauf bedacht, ihrem Sohne Ludwig eine tüchtige 
Ausbildung zuteil werden zu lassen, und diese ihre Sorgsalt ward 
dann auch durch Fleiß und Eifer Ludwigs belohnt, der der Lieb- 
ling seiner Lehrer war. Nachdem er durch Hauslehrer tüchtig vor- 
gebildet war, trat er in eine der damals berühmtesten Erziehnngs- 
anstalten, in das Pädagogium zu Halle a. d. S., ein, das unter der 
Leitung des berühmten Schulmannes August Hermann Niemeyer 
stand. Hier war Vincke einer der musterhaftesten und dankbarsten 
Zöglinge; seine Ausführung war die löblichste, sein Fleiß außer- 
ordentlich. In einem Zeugnis, das er aus der Anstalt mit nach 
Hause brachte, heißt es: „Indem wir ihm unter unseren Zöglingen 
die erste Stelle geben, bezeugen wir dadurch zu ihm unser Vertrauen, 
er werde sich bemühen, durch Ausbildung jeder Tugend, welche sein 
jetziger Beruf und seine Verhältnisse zulassen, den übrigen ein 
gutes Beispiel zu geben, welches er nicht täuschen wolle." 
Nach dreijährigem Besuche der Niemeyerschen Schule konnte 
Vincke zur Universität entlassen werden. In seinem Abgangszeug- 
nisse bezeugten ihm seine Lehrer, daß sie ihn entließen „mit unum- 
schränktester Zufriedenheit und mit dem festen Vertrauen, daß er 
ihre nicht geringen Erwartungen niemals täuschen werde". Seinen 
Studien lag er mit großem Eifer in den Jahren 1792 bis 1795 auf 
den Universitäten Marburg, Erlangen und Göttingen ob. Hatte 
er früher durch das Lesen von Seeschlachten und Heldenthaten große 
Neigung zum Seemannsberuf in sich gespürt, so entsagte er doch 
derselben und richtete sein ganzes Augenmerk darauf, wie er einst 
imstande wäre, seinem von ihm innig geliebten Westfalen und dessen 
biederem, kräftigem Volke dienen zu können. Mit Eifer warf er 
sich deshalb auf die Wissenschaften, die ihn zu einem tüchtigen 
Staatsbeamten besähigen konnten. Aber er ging nicht in seinen 
7 *
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.