Full text: [Geschichte des Alterthums] (Theil 1)

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mehrjährigen Reisen durch das Studium der verschiedenen philosophischen 
Systeme seine eigenen Anschauungen zu berichtigen und zu erweitern. An 
dem Hofe der Dionyse zu Syrakus fand er einen zeitweiligen Aufenthalt 
durch die edle Freundschaft des Dion, Bruder des älteren Dionysos, 
und durch die wankelmüthige Gönnerschaft des jüngeren Herrschers dieses 
Namens. Von seinem vierzigsten Jahre an zog er sich auf sein, eine 
halbe Stunde vor Athen, zunächst der Akademie gelegenes Landgut zurück. 
In den schattigen Gängen des Haines, welcher von dem alten Heroen 
Akademos seinen Namen erhalten hatte, lehrte er, des Morgens mit seinen 
Schülern lustwandelnd, des Abends durch öffentliche Vorträge. Hier ver¬ 
faßte er seine Schriften, deren größter Theil, in Gesprächsform, zugleich 
den Sokrates als persönlich gewordene Philosophie und Vertreter der gro¬ 
ßen wahrhaftigen Ideen in göttlichen und menschlichen Dingen verherr¬ 
lichte. Platon starb in hohem Alter, geliebt und betrauert von den Sei- 
nigen. Sein Leben (429—348) war ein glückliches gewesen und sein An¬ 
denken ist durch alle Zeiten unsterblich geworden. Er war es, welcher dem 
geistigen Wesen der Dinge zum ersten Male die volle Geltung widerfahren 
ließ. Die Idee war ihm das Wirkliche, die Erscheinung das vorüberge¬ 
hend Täuschende. Die Götter setzte er als lebendig wirkende Kraft, als 
Weltseele, in den Kreis der Schöpfung; über allem Geschaffenen aber 
waltete, nach seiner Lehre, die unsichtbare Gottheit in unvergänglicher 
Machtsülle. Des Menschen Geist, mit dem irdischen Stoff vermählt, war 
unsterblich, ein Theil der göttlichen Kraft, zur ewigen Seligkeit bestimmt. 
Das Wissen dieser hohen Bestimmung im Anschauen und Begreifen der 
göttlichen Ideen, die edle Liebe gleichgestimmter Meuschenseelen unter sich, 
das Verständniß der Schönheit in der Kunst endlich, gaben den Menschen 
die Kraft, gut und tugendhaft, das heißt, glückselig und ihres höheren Be¬ 
rufes würdig zu werden. Die Versöhnung zwischen Natur und Geist 
durch den Sieg des Letzteren war der Grundgedanke der Lehre des Pla¬ 
ton, und um seiner idealen Weltanschauung willen nannte man ihn selbst 
den Göttlichen. 
Platons Schriften werden ihrem Inhalt nach in drei Perioden ge- 
theilt. In den ersten seiner Werke ist das Wissen als höchste Bedingung 
zur Tugend und Glückseligkeit aufgestellt; in der zweiten Periode, die mit 
Sokrates' Tod beginnt, sucht er die Nothwendigkeit eines auf „dem auge- 
boruen Wissen" beruhenden tugendhaften Lebens und die Selbstständigkeit 
der Begriffe darzuthuu. In der dritten, welcher seine vollendetsten Schrif¬ 
ten, die Dialoge: Philebos, Phädon, das Gastmahl, Phädrus, Timäos 
und die Bücher vom Staat und von den Gesetzen angehören, war Platon 
an die eigentliche Aufgabe seines Systems gelangt, dessen Gegenstand das 
Verhättniß der Idee und Sinnenwelt, die Natur und Verbindung des 
göttlichen und menschlichen Seins, und deren höchstes Resultat die Lehre 
von der Unsterblichkeit der Seele war.
	        
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