28 Asien.
Südsee, in Kalifornien und Peru treten die arbeitsamen und anspruchslosen Chinesen als Ron-
kurrenten der europäischen Zivilisation aus.
Die Chinesen sind im wesentlichen Ackerbauer, und von dieser Thatsache aus müssen sie
gewürdigt werden, da sie gewissermaßen die Charaktermerkmale der ackerbautreibenden Völker
bis zum äußersten Extrem fortgebildet haben, hieraus erklärt sich zuvörderst ihr konservativer
Sinn in Kunst und Wissenschaft, in Staatswesen und Gewerbe, der schließlich zur ärgsten Oer-
knöcherung und Zurückgebliebenheit geführt hat, hieraus ihr patriarchalisches Familienleben,
ihre Arbeitsamkeit und Genügsamkeit, ihre Hochachtung vor dem bäuerlichen Gewerbe, die
sich besonders darin ausspricht, daß der Kaiser alljährlich am größten Feste in Person die Hand
an den Pflug legt. Verstärkt wurde der natürliche Hang zum Althergebrachten weniger durch
die sprichwörtlich bekannte chinesische Mauer (S>. 93), die jetzt vielfach zerfallen ist, als durch
die natürliche Abschließung Chinas gegen Westen und gegen europäische Einflüsse durch un-
übersteigliche Hochgebirge und Wüsten, gegen Osten durch eine gefahrvolle See. Der durch
europäische Aufklärung bedrohte Despotismus that schließlich das Seine, Staats- und Volks-
leben im Stillstand und in einer Art geistigen Schlummers zu belassen, aus welchem auswärtige
Konflikte die erstarrte und eingebildete Büreaukratie mitunter in höchst unliebsamer Weise auf-
stören. Trotzdem zeichnet die Chinesen ein reger, nüchterner Handelsgeist aus, und sie sind, wie
man dies vielleicht mit Ausnahme der semitischen Völker von keinen: anderen Volke sagen kann,
auf Gelderwerb erpicht und deshalb geneigt, den Käufer zu übervorteilen.
Zwischen China und Japan bildet die gebirgige Halbinsel Korea ein Übergangsland
und, wie Grenzgebiete überhaupt, einen Zankapfel der angrenzenden Großmächte. Die Koreaner
sind ein Kulturvolk, weichen aber in mancher Beziehung sowohl von den Chinesen wie von den
Japanesen ab, nur die allgemeinen Merkmale der mongolischen Nasse sind allen gemeinsam.
Die Koreaner sind schöner und besser gebaut als die Chinesen des Nordens, die Nase ist we-
niger abgestumpft, die Augenlider stehen mehr in gerader Linie. Ackerbau, Seidenbau,
Buddhismus, Töpferkunst und den Kompaß empfingen die Koreaner von den Chinesen. Große
Städte sind in Korea selten. „Die Hauptstadt Söul (250,000 Einwohner; S. 99)", schreibt
Oppert, „unterscheidet sich von anderen koreanischen Städten weder durch besondere Regel-
Mäßigkeit noch durch schöne und große Gebäude. Sind die Straßen auch breiter als die meisten
engen Gassen der chinesischen Städte, so sind sie dagegen ungepflastert, und die öffentlichen
Gebäude wie die paläste des Königs lassen keinen Vergleich mit den Wohnungen der wohl-
Habenderen Klasse der größeren Städte Chinas zu. Ohne öffentliche Gebäude von irgend
welcher Bedeutung, ohne Tempel nnt auch nur annähernd ähnlichem Schmuck und Zieraten
ausgestattet, wie die kleineren chinesischen provinzialstädte sie aufweisen, die meisten Häuser
einstöckig und viele nur aus Lehm gebaut, macht Söul keineswegs den Lindruck, wie ihn die
Hauptstadt eines Landes wie Korea, das Bayern an Größe dreimal übertrifft und über
\0 Millionen (Anwohner hat, hervorbringen sollte."
io. Japan.
Die Halbinselbrücke Korea verknüpft China mit dem Inselreiche Japan, das seine ur-
sprüngliche Kultur auf dem Wege über Korea empfing. Nur der gewaltthätigen Herrschaft
des Zoxfregiments ist es zuzuschreiben, daß ein Land wie Japan, das seiner geographischen
Lage und Küstenbeschaffenheit nach in ebenso hervorragendem Maße wie England für Handel
und Verkehrt bestimmt erscheint, jahrhundertelang von der Außenwelt abgesperrt wurde.
Erst im Jahre \877 wurde die Militärherrschaft des Shogun nach heftigen Kämpfen gänzlich
gebrochen, die alte 2ldelsherrschaft durch eine moderne Staatsverfassung, eine konstitutionelle
erbliche Monarchie mit Abgeordnetenhaus und pairskammer ersetzt und der europäischen
Kultur freier Einzug gewährt. Seitdem hat sich Japan zum ersten Kulturstaat Asiens auf-
geschwungen, und schon steht es im Begriffe, sich wie in Bezug aus Industrie und Verkehr,
so auch in wissenschastlicher Hinsicht selbständig zu machen.