Die Vstalpen. \3
starren sie empor, diese weißgrauen Felsenkämme und Wände des Wettersteingebirges, diese
zersägten Grate und kühn geschwungenen Gipfel, nur belebt durch die wuuderbaren Farben-
zauber der Atmosphäre. <£s ist das Gebiet der intensivsten Verwitterung, der unaufhörlichen
Zerstörungsarbeit durch wind und Wetter, Bergbrüche und Lawinen, am meisten aber durch
die Minier-, Bohr- und Sprengkraft des einsickernden und wieder gefrierenden Wassers.
von dorther leuchtet aus dem weiten Felsenzirkus der Zugspitze in blendendem weiß der
Höllenthalferner, der ^700 m lang und 900 m breit ist. Noch umfangreicher ist das Gletscher-
feld im Hintergründe des Rainthales auf dem sogenannten Plattach, der Plattachferner, der
größte Gletscher auf bayerischem Boden. Seine Länge beläuft sich aus 3, seine Breite auf
21/* km. Der verhältnismäßig beschränkten Ausdehnung der Firnmulden mag es zuzuschreiben
sein, daß diese Gletscher mcht tiefer zu Thal gehen und die Schneegrenze, d. h. die Grenze der
dauernden Schneeansammlungen, nicht erreichen, während bekanntlich die großen Gletscher der
Schweiz diese Linie weit uberschreiten. Aus diesem Grunde sind die Gletscher unserer Ralk-
alpen mit einem Gürtel größerer und kleinerer Schneeflecke umgeben, die besonders in engen
Schluchten, Gruben und anderen geschützten Lagen erhalten bleiben. Im Wettersteingebirge
trifft man bei 2000 m ^öhe deren zahlreiche, ja Schnee- und Lawinenreste geben in einer Höhe
von nur ^30 m der partnach den Ursprung.
Nachdem wir nunmehr bis in die Hochregion der Kalkalpen vorgedrungen sind, fällt es
uns nicht schwer, von dieser erhabenen Stelle aus einen Überblick über deren Gliederung zu
gewinnen. Das Wettersteingebirge beginnt bei Mittenwald am linken Ufer der Isar in
einer Höhe von etwa 2000 in, erhebt sich gegen Westen immer höher und höher, um endlich in:
Gipfel der Zugspitze (296O m) zu kulminieren. Hier biegt der Ramm nun in einem gewaltigen
Halbbogen gegen Osten um, das gletscherbedeckte Plattach (2000—2^00 m) umgürtend. Lin
dritter, kürzerer Parallelkamm bricht mit dem turmartigen wachsenstein (23 J 9 m) direkt in
den Kessel von Garmisch ab. Dieser merkwürdige Parallelismus der Gebirgsketten ist
charakteristisch für die Gliederung der bayerischen und Nordtiroler Kalkalpen. Parallel dem
wettersteingebirge, nur durch das Leutaschthal von ihn: getrennt, zieht auf österreichischem
Gebiete die Mieminger Kette (2600 m) hin, und im benachbarten Rarwendelgebirge, das
durch Isar, Inn undAchensee umgrenzt wird, zählen wir nicht weniger als fünf solcher ostwestlich
ziehenden Gebirgsfalten, deren südlichste jäh in das Innthal bei Innsbruck abbricht (S. 69).
Tief eingesenkt zwischen die Riesenmauern des Wettersteingebirges liegt das Rainthal,
zweifellos das großartigste Hochgebirgsthal der deutschen Alpen. Die partnach, dieser stür-
mische Bergstrom, hat es eingegraben in den Körper dieses Kalkstockes. Lin vollendetes Beispiel
eines Kalkalpenflusses, bricht sie mit ungewöhnlicher wasserfülle aus einer lawinenerfüllten
Felsschlucht hervor, stürzt dann donnernd über eine etwa J00 m mächtige Felsstufe herab, sägt
im weiteren verlaufe drei Klammen aus, von denen die letzte zu den höchsten landschaftlichen
Schönheiten der bayerischen Alpenwelt gehört, und versiegt stellenweise in den Schottermassen,
die sie selbst zu Thal geschleift hat. Zweimal stauen sich die blaugrünen Wasser der partnach
zu leuchtenden Thalseen, den beiden Blauen Gumpen, inmitten des großartigsten Naturparkes,
auf. Die Schwankungen des Flußspiegels bewegen sich in den schärfsten Gegensätzen; im Winter
nur ein schwacher Wasserfaden, braust der Fluß zur Zeit der Schneeschmelze oder nach heftigen
Niederschlägen im Gebirge als furchtbar prächtiges, verderbendrohendes Wildwasser zu Thal.
Bei aller Verwandtschaft im Gesamtcharakter der nördlichen Kalkalpen unterscheiden sich
die östlichen Teile derselben, die Berchtesgadener und österreichischen Kalkalpen (S. 70
und c 7), doch wesentlich von den bayerischen Alpen. Die strenge Kettengliederung und die
reiche Thalbildung, welche die Alpen zwischen Lech und Saalach auszeichnen und dieselben so
außerordentlich zugängig machen, tritt im Berchtesgadener Lande und weiterhin zurück, und
an Stelle der in ostwestlicher Richtung parallel verlaufenden Gebirgsfalten beherrschen gewal¬
tige Bergplateaus den Tharakter dieser Landschaft. Die (Huersurche der Saalach bezeichnet
scharf die Grenzlinie gegen Osten, jenseits welcher die Felsplateaus der Ostalpen sich auftürmen,
gleichsam „in die Region der Wolken emporgehobene Karstgebiete".
Ungeheuren Bergsesten ähnlich umschließen dieselben den schönen Thalkessel von Berchtes-
gaden nach allen Seiten: im Norden die isolierten Plateaus der Reiteralm, des Latten-
gebirges und Untersberges (\975 m), im Süden die miteinander verschmolzenen Plateaus des