Die süddeutschen Becken. 2\
230,000 Einwohner und wird in seiner Bevölkerungsziffer unter den süddeutschen Städten nur
noch von München übertroffen. Überaus zahlreich sind seine historisch denkwürdigen Stätten,
die hervorragendsten aber sind der Dom und der Römer (S. 33). 3m Dome wurden nach
den Bestimmungen der goldenen Bulle die deutschen Kaiser von den Rurfürsten gewählt, später
auch darin gekrönt, und im Raisersaale des Römers, in dem die Bildnisse aller deutschen Rönige
und Kaiser bewahrt werden, hielt der neugewählte Herrscher mit den Rurfürsten Tafel und
zeigte sich vom Balkon aus dem zujubelnden Volke.
2. Die oberrheinische Tiefebene.
Nach seinem Austritt aus dem Bodensee durchbricht der Rhein in westlicher Richtung den
Iura in mehreren Stromschnellen, deren bedeutendste der bekannte Rheinfall bei Schaff-
Hausen (S. 83) ist, wo der Strom über ein 2\ m hohes Ralkriff stürzt. Bei Basel, wo sich
der Fluß mit scharfer Biegung nach Norden wendet, tritt er in die oberrheinische Tiefebene
ein, eine Thalfurche von fast 300 km Länge und etwa sechs Wegstunden Breite. Ihre Mitte
erfüllt das Überschwemmungsgebiet des Rheins, eine Schotterniederung, durch die der Fluß,
in zahlreiche Arme zerspalten, sich drängt. Im unteren Teile ist das Strombett durch gro߬
artige Uferbauten korrigiert, so daß die tiefgehenden Frachtschiffe des Unterrheins unbehindert
bis Ludwigshafen—Mannheim heraufkommen können. Mannigfache Vorzüge der Natur und
eine überaus thätige Bevölkerung vereinigen sich, um die oberrheinische Tiefebene zu einem
der gesegnetsten Landstriche Deutschlands, zum Paradies des deutschen Südwestens zu machen.
Die tiefe und geschützte Lage (Basel 2^8 m, Mainz 8^ m) verursacht ein ungewöhnlich mildes,
fast an transalpine Verhältnisse gemahnendes Rlima, und der tiefgründige, genügend benetzte
Lößboden lohnt aufs reichlichste den Anbau jeglicher Art. Die oberrheinische Tiefebene ist die
größte Rornkammer Süddeutschlands. Am reichsten beschenkt mit allen Gaben der Natur er-
scheint aber das herrlich prangende Gelände am Fuße der Berge. Glanzvolle Schönheit der
Natur, unerschöpfliche Gabenfülle und erstaunliche Schöpfungen menschlichen Waltens erzeugen
hier ein Landschaftsbild von wundersamer Harmonie.
Der günstigen geographischen Lage und dem Aufschwünge der Rheinschiffahrt verdanken
die Städte Ludwigshafen und Mannheim ihr erstaunlich rasches Aufblühen. Aber noch
wichtiger als dieses Städtepaar, noch vielseitiger in seiner Bedeutung als Mittelpunkt der
wirtschaftlichen und geistigen Rultur des Gberrheingebietes und als militärischer Stützpunkt
ersten Ranges erscheint Straßburg, „die wunderschöne Stadt", deren Name jedes deutsch-
fühlende Herz höher schlagen macht (S. 89). Linst als „des heiligen römischen Reiches
starke Vormauer" gepriesen und von Rarl V. höher geschätzt als Wien, wurde die Stadt
von Frankreich durch beispiellosen Verrat am 23. September \68\ mitten im Frieden dem
damals ohnmächtigen Deutschen Reiche entrissen, um an demselben Tage des Jahres \870
nach schwerer Belagerung wieder unser zu werden. Seitdem hat sich die Stadt ungemein ge-
hoben, glänzende Bauwerke sind erstanden, ein Rranz von aufblühenden Grten umgibt sie,
ihre Einwohnerzahl ist von 30,000 unter französischer Herrschaft auf \ 35,000 gestiegen; früher
j?rovinzialstadt, ist sie jetzt Landeshauptstadt und Sitz des kaiserlichen Statthalters geworden.
Ihr höchster Schmuck aber und zugleich das weithin über die Rheinebene blickende Wahrzeichen
der Stadt ist und bleibt das Münster, das unvergängliche Werk Erwins von Steinbach.
Rheinabwärts folgt dann das gleichfalls historisch denkwürdige Speyer (S. 90) mit dem
von Raiser Ronrad II. etwa im Jahre J030 gegründeten prachtvollen Dome, den: größten
Meisterwerke romanilchen Baustils auf deutschem Boden. Seine klassische Erneuerung ist eines
der schönsten Verdienste Rönig Ludwigs I. von Bayern um die deutsche Runst. Nicht weniger
als sieben Raiser, Ronrad II. und seine drei Nachfolger, Heinrich III., Heinrich IV. und L?ein-
rich V., dann Ronrad III., Philipp von Schwaben und Rudolf von Habsburg, und drei Raise-
rinnen liegen hier begraben. Neunundzwanzig Reichstage versammelten sich innerhalb der
Mauern Speyers, und zweihundert Jahre lang, bis zur Zerstörung der Stadt durch die Fran-
zosen im Jahre \689, war es der Sitz des deutschen Reichskammergerichts.
Wieder andere Erinnerungen weckt das benachbarte, liederumklungene Heidelberg
(S. 90 in bezaubernd schöner Lage am Durchbruch des Neckars durch die Buntsandsteinberge