Full text: Bilder-Atlas zur Geographie von Europa

Die Karpathen. Die ungarische Niederung. 
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(5. J2J) liegt, mit 95,000 Einwohnern, die einstige polnische Hauptstadt und spätere Krönungs¬ 
stadt an der Weichsel. Mit ihren geschichtlichen Erinnerungen und als Sitz einer alten hoch- 
schule ist sie heute noch einer der Hauptmittelpunkte polnischen Lebens und Strebens. Die nahe 
gelegenen Anschlußpunkte an die österreichischen, preußischen und russischen Eisenbahnen machen 
sie zu einer bedeutenden Verkehrsstadt. 
Die ungarische Niederung ist ein großes Senkungsfeld, in dessen weitem Raum in der 
Tertiärzeit ein Meer flutete, das von den zuströmenden Flüssen ausgefüllt und allmählich in 
einzelne Becken zerlegt wurde, platten- und Neusiedler See sind die Reste dieser ehemaligen 
großen Wasserfläche. Die endlose Niederung, ehedem der freien Meide dienend (Pußta, S. \20) 
und das unbestrittene Gebiet der berittenen Wirten mit ihren halbwilden Rinderherden, ist 
heute zum weitaus größten Teile dem 2lcferbau gewonnen; sie ist nach Südrußland die größte 
Kornkammer Europas. Die wunderbar fruchtreichen Felder desAlfölds, wie die Niederung 
genannt wird, tragen Weizen und Roggen, Hafer und Gerste, Mais, Gemüse, Tabak in 
üppiger Fülle. Obst und Wein gedeihen in seltener Pracht, hochbeinige Rinder, langhörnig 
und meistens weißhaarig, schlanke, feurige Pferde, krausborstige Schweine, feiste Hammel und 
muntere Ziegen weiden auf den grünen Triften zu Tausenden. Wahrhaft verschwenderisch 
hat hier die Natur ihre Gaben ausgestreut. Aber neben die Fülle legte sie auch die Dürftigkeit. 
Weite Strecken bieten nichts als Heide und Moor, keinen Halm, kein Gras. Wie ausgestorben 
erscheint die Landschaft, hier und da noch ein Ziehbrunnen mit weit in die Luft ragendem 
Hebel und in einsamer Ode eine halbverfallene Tsarda (s. Abbildung). Eine träge, bleierne 
Ruhe umfängt den Wanderer. Da auf einmal wechselt das Bild. In breitem Bett, von Schilf 
und Röhricht umwuchert, wälzen Theiß und Donau ihre raschen Fluten durch diese Ebene, 
dem Fischfang und der Jagd auf Wasservögel einen weiten, zu jeder Jahreszeit ergiebigen 
Raum bietend. 
Am Eingangsthor der unabsehbaren Ebene, wo die Ausläufer der Alpen und der Aar- 
pathen sich berühren, liegt die Hauptstadt Ungarns, Budapest (S. \2\). Seit der selbständigen 
Stellung des Königreiches hat es einen mächtigen Aufschwung genommen und zählt nun über 
eine halbe Million Einwohner. Auf dem rechten, bergigen Donauufer liegt das vorwie- 
gend deutsche Ofen (Buda), die Festungsstadt, mit der Königsburg. Mehrere Brücken ver- 
binden Ofen mit der Flachstadt Pest, die bereits auf dem Boden der Pußta steht. Glanz- 
volle'Paläste schmücken den Donaukai, freundliche Anlagen umsäumen die Straße, die von 
einer wogenden Menge in den buntesten Trachten belebt wird. Überaus günstig ist in der 
That die geographische Lage der Stadt zu beiden Seiten des mächtigen Stromes und am 
2lusgangspunkte der wichtigsten Straßen und Eisenbahnlinien des Königreiches. 
2lls der französische König Ludwig XIV., von ruhelosem Ehrgeiz uud frevler Ländergier 
getrieben, die natürlichen Grenzen seines Landes im Osten, die Vogesen, überschritt, um dauernd 
am linken Rheinufer Fuß zu fassen, da legte er den Grund zu einer der beklagenswertesten 
Erscheinungen der neueren Geschichte, zu dem schier unversöhnlichen Hader zwischen Deutsch- 
land und Frankreich. Die Länder zu beiden Seiten des Rheinstromes und die sie umschließenden 
Gebirge bilden ein einheitliches, geschlossenes Naturgauze, das vollständig zur physischen Ge- 
samtheit Deutschlands gehört, und dessen Bevölkerung nach Abstammung und Gesittuna, nach 
Sprache, Geschichte und Kultur ties eingedrückt den germanischen Stempel träqt. 
2. Die ungarische Niederung. 
VIII. 
Nordfrankreich.
	        
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