Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Dreißigjährigen Krieges (Teil 1)

Der Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum unter Heinrich IV. 
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eine höchste geistliche Gewalt nach allen Seiten hin ausüben und dabei dem 
Kaiser untertänig sein sollte." (Ranke.) 
3. Das nächste Ziel des Papsttums mußte seine völlige Emanzipation 
vom Kaisertume sein, die alleinige, vom Kaiser unbeeinflußte Herrschaft über 
die Kirche. 
Um nun die Kirche zu beherrschen, beanspruchte das Papsttum das Recht 
der Investitur der Bischöfe und die damit verbundene Verfügung über den 
kirchlichen Grundbesitz. 
4. Über dieses Ziel hinaus aber erhob das Papsttum bereits den An- 
spruch auf den Besitz auch der höchsten weltlichen Gewalt. 
5. Das deutsche Königtum dagegen mußte schon die päpstlichen Ansprüche 
auf die Beherrschung der Kirche bekämpfen; denn verlor es das Jnvestiturrecht, 
so war seine herrschende Stellung im Deutschen Reiche erschüttert (f. § 15). 
Das Königtum kämpfte um seine Existenz, wenn es die Herrschaft über 
die Kirche gegen die päpstlichen Ansprüche verteidigte. 
II. Heinrich IV. sucht die Zentralgewalt im Kampfe gegen 
Fürstentum und Papsttum neu zu befestigen, erliegt aber der ver- 
einigten Macht beider. 
A. Der Grund dafür, daß der Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum 
gerade zur Zeit Heinrichs IV. mit furchtbarer Gewalt entbrennt, liegt 
1. darin, daß das Weltherrschaftsideal des Papsttums zur Zeit 
Heinrichs IV. in Gregor VII. einen begeisterten Vorkämpfer findet. 
„Gregor VII. (1073—1085) nahm die Tendenzen der kirchlichen 
Superiorität über die weltliche Macht, die im 9. Jahrhundert emporgekommen 
und durch das Kaisertum Ottos I. zurückgedrängt worden waren, von neuem 
wieder auf. ... Er hat den Kampf gegen die weltliche Gewalt wie nie einer 
vor ihm zum System erhoben." Das Programm des neuen hierarchischen 
Systems, der Diktatur Gregors, „enthält die exorbitantesten Ansprüche, die 
um so mehr auffallen, als sie aller Begründung entbehren. Der Papst kann 
Kaiser absetzen; nach einem angeblichen Konstitut Konstantins, das sich in den 
falschen Dekretalen findet, wiederholt er, daß der Papst die kaiserlichen Jnsignien 
anlegen dürfe; die Fürsten müssen ihm die Füße küsfen". (Ranke.) 
3. Darin, daß Heinrich IV. einer der kräftigsten und fähigsten 
Herrscher des Mittelalters war, der das deutsche Königtum etwa im Sinne 
Ottos I. oder Konrads II. zu vertreten gedachte. 
B. Heinrich scheint im Kampfe gegen die Laienfürsten und die Sachsen 
nach wechselnden Erfolgen den Sieg davonzutragen und ist im Begriff, 
die Zentralgewalt mit absoluter Herrschermacht auszustatten. 
1. Die Ursachen zum Kampfe Heinrichs mit den Fürsten und 
den Sachsen. 
a. Da der Staatsstreich von 1062, der Königsraub von Kaisers- 
Werth, dem Episkopat das entschiedene Übergewicht verschaffte, sahen sich die 
Laienfürsten zurückgedrängt. Gegenüber den ehrgeizigen Plänen Adalberts 
von Bremen, der sich dem Könige unentbehrlich zu machen wußte, mußten sie 
überdies die Absicht des Königs befürchten, das Laienfürstentum völlig zur 
Bedeutungslosigkeit herabzudrücken. 
b. Die ganze innere Politik des jungen Königs ging darauf hinaus, 
die Verfassung des Deutschen Reiches in eine absolute Monarchie umzu-
	        
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