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Europa (außer Deutschland).
übrig, wenn nicht die vulkanischen Prozesse für das gesamte Land von der aller-
größten Bedeutung wären. Denn einmal finden wir sie vom Alpenrande bis
zur afrikanischen Nordküste entfaltet, dann aber haben sie das Material geliefert,
dem Italien seine unerschöpfliche Fruchtbarkeit und sein gartenähnliches Aus-
sehen verdankt, den vulkanischen Tuff. Leider sind an dieses unterirdische Geschenk
unvermeidliche Plagen wie die vulkanischen Eruptionen und mancherlei Erdbeben
geknüpft, deren gesamte Verheerungen an Eigentnm und Menschenleben indessen
hundertfach aufgehoben werden. Diesem Vulkanismus verdanken wir schließ-
lich die Möglichkeit, uns das antike Leben bis ins einzelne hinein vorzustellen;
denn die mit Asche überdeckten Ruinen Pompejis, Herknlanums und Stabiäs
sprechen eindringlicher und klarer als alle Folianten und führen uns nnmit-
telbar aus dem 19. in das 1. Jahrhundert zurück.
Tätige, erloschene und halb abgetragene, beinahe wieder verschwundene
Vulkane besitzt Italien eine stattliche Zahl. Von diesen sind heute noch außer
Vesuv und Ätna in voller Tätigkeit die Phlegräischen Felder, die Liparen in
den Inseln Stromboli und Vnlcano, Pantelleria und eventuell die Insel
Julia. Alle andern sind erloschen und legen uns allein durch ihre Gesteine,
Form und Mineralquellen von den einst dort wirksamen Kräften Zeugnis
ab. Die Basaltergüsse des Vicentin^) und des Plateaus von Mineo fallen
ins Tertiär, ebenso die Ausbrüche des Monte Venda und Monte Amiata,
die man beide nur als Vulkanruinen bezeichnen kann, da die Atmosphärilien
bereits in manchen Jahrtausenden an ihnen genagt und aus den Aschen den
einst im Schlote tief verborgenen Lavakern herausgeschält haben.
Das Grundelement jedes vulkanischen Ausbruches, jeder Eruption, ist das
auf Spalten aus der Tiefe aufsteigende, glutflüssige Gesteinsmagma, welches
man, wenn es sich oberflächlich ergießt, als Lava bezeichnet. In der Erd-
kruste trisft es mit den Sickerwassern zusammen und nimmt einen großen
Teil derselben in sich auf, wodurch sich einerseits die Schmelzung erleichtert,
anderseits die Kräfte des Magmas zu mechanischen Wirkungen sich erhöhen.
An die Oberfläche oder in deren Nähe gelangt, befreit sich der überhitzte
Wasserdampf und ruft die einem Ausbruche voraufgehenden Erdbebenstöße
hervor, hebt schließlich Lava bis zum Über- oder Ausfließen und zerstäubt
erhebliche Mengen derselben zu Rapilli^), Sand und Asche. Der entweichende
Wasserdampf steigt über der Ausbruchsstelle als eine Säule empor, die sich
in den leichteren Luftschichten langsam verbreitert und nach völligen: Wärme-
Verlust horizontal abflacht. Dadurch entsteht eine Ähnlichkeit mit der Pinie,
so daß man kurzweg von einer Rauch- oder Aschenpinie spricht. Herrscht
oben Wind, so wird das Ende fadenartig ausgezogen, eine Figur, die der
1) In den Venetianer Alpen; Mineo: südwestlich vom Ätna; Monte Venda: westlich
Padua; Monte Amiata: nordwestlich vom Bolsener See. — D. H.
2) Rapilli heißen am Vesuv die kleineren Schlackentrümmer. Das Wort ist dem ueapoli-
tonischen Dialekt entnommen, wo 1 und r oft sich vertreten, und bedeutet „Steinchen" (lapilli).