Full text: Erdkundliches Lesebuch für höhere Schulen

168 
Europa (außer Deutschland). 
übrig, wenn nicht die vulkanischen Prozesse für das gesamte Land von der aller- 
größten Bedeutung wären. Denn einmal finden wir sie vom Alpenrande bis 
zur afrikanischen Nordküste entfaltet, dann aber haben sie das Material geliefert, 
dem Italien seine unerschöpfliche Fruchtbarkeit und sein gartenähnliches Aus- 
sehen verdankt, den vulkanischen Tuff. Leider sind an dieses unterirdische Geschenk 
unvermeidliche Plagen wie die vulkanischen Eruptionen und mancherlei Erdbeben 
geknüpft, deren gesamte Verheerungen an Eigentnm und Menschenleben indessen 
hundertfach aufgehoben werden. Diesem Vulkanismus verdanken wir schließ- 
lich die Möglichkeit, uns das antike Leben bis ins einzelne hinein vorzustellen; 
denn die mit Asche überdeckten Ruinen Pompejis, Herknlanums und Stabiäs 
sprechen eindringlicher und klarer als alle Folianten und führen uns nnmit- 
telbar aus dem 19. in das 1. Jahrhundert zurück. 
Tätige, erloschene und halb abgetragene, beinahe wieder verschwundene 
Vulkane besitzt Italien eine stattliche Zahl. Von diesen sind heute noch außer 
Vesuv und Ätna in voller Tätigkeit die Phlegräischen Felder, die Liparen in 
den Inseln Stromboli und Vnlcano, Pantelleria und eventuell die Insel 
Julia. Alle andern sind erloschen und legen uns allein durch ihre Gesteine, 
Form und Mineralquellen von den einst dort wirksamen Kräften Zeugnis 
ab. Die Basaltergüsse des Vicentin^) und des Plateaus von Mineo fallen 
ins Tertiär, ebenso die Ausbrüche des Monte Venda und Monte Amiata, 
die man beide nur als Vulkanruinen bezeichnen kann, da die Atmosphärilien 
bereits in manchen Jahrtausenden an ihnen genagt und aus den Aschen den 
einst im Schlote tief verborgenen Lavakern herausgeschält haben. 
Das Grundelement jedes vulkanischen Ausbruches, jeder Eruption, ist das 
auf Spalten aus der Tiefe aufsteigende, glutflüssige Gesteinsmagma, welches 
man, wenn es sich oberflächlich ergießt, als Lava bezeichnet. In der Erd- 
kruste trisft es mit den Sickerwassern zusammen und nimmt einen großen 
Teil derselben in sich auf, wodurch sich einerseits die Schmelzung erleichtert, 
anderseits die Kräfte des Magmas zu mechanischen Wirkungen sich erhöhen. 
An die Oberfläche oder in deren Nähe gelangt, befreit sich der überhitzte 
Wasserdampf und ruft die einem Ausbruche voraufgehenden Erdbebenstöße 
hervor, hebt schließlich Lava bis zum Über- oder Ausfließen und zerstäubt 
erhebliche Mengen derselben zu Rapilli^), Sand und Asche. Der entweichende 
Wasserdampf steigt über der Ausbruchsstelle als eine Säule empor, die sich 
in den leichteren Luftschichten langsam verbreitert und nach völligen: Wärme- 
Verlust horizontal abflacht. Dadurch entsteht eine Ähnlichkeit mit der Pinie, 
so daß man kurzweg von einer Rauch- oder Aschenpinie spricht. Herrscht 
oben Wind, so wird das Ende fadenartig ausgezogen, eine Figur, die der 
1) In den Venetianer Alpen; Mineo: südwestlich vom Ätna; Monte Venda: westlich 
Padua; Monte Amiata: nordwestlich vom Bolsener See. — D. H. 
2) Rapilli heißen am Vesuv die kleineren Schlackentrümmer. Das Wort ist dem ueapoli- 
tonischen Dialekt entnommen, wo 1 und r oft sich vertreten, und bedeutet „Steinchen" (lapilli).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.