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Asien.
wesentlichen durchaus auf den: Ackerbau, auf den: Getreidereichtum und der
hierdurch bedingten Volksdichte beruhte. Die Untersuchung darüber, w e l ch e n
Stand materieller K u l t u r e u t w i ck l u u g das heutige
B a g d a d b a h n g e b i e t im A l t e r t n m besessen hat, ist daher
eine der wichtigsten, die überhaupt angestellt werden können, wenn wir die
Frage nach der Wiedererweckung dessen, was dort einst war, beantworten
wollen. —
Wir müssen im Gebiet der Bagdadbahn und ganz besonders in dem meso
potamifch-babylonifchen Strom lande beachten, daß es dort zwei grundverschiedene
Arten von Kulturland gibt. Die eine Art ist v o m Regen bewässertes
Land; die andere bedarf zur Hervorbringung irgendwelcher Früchte in jedem
Falle künstlicher Bewässerung vermittelst fließenden Wassers. Unzweifel¬
haft ist ein viel größerer Teil Mesopotamiens, als man gewöhnlich bisher anzu
nehmen geneigt war, im Altertum und während des früheren Mittelalters, d. h.
bis ins achte und zehnte Jahrhundert, bebaut und besiedelt gewesen, und ich habe
als Resultat aller darauf verwandten Studien gefunden, daß in der äußeren
N a t n r seit jener Zeit keinerlei Umstände eingetreten
sind, aus denen m an genötigt wäre, zu folgern, jene
blühenden Zustände ließen sich heute nicht mehr durch
geeignete Maßnahmen herstellen. Daß diese Tatsache, die Nichtände-
rnng des Klimas in historischer Zeit, von entscheidender Wichtigkeit für die Be
siedelnngs- und Kultivierungsfrage ist, braucht wohl nicht erst besonders hervor
gehoben zu werdeu.
Während heutzutage sich nur noch eine ganz schmale Kulturzone vom Rande
des iranischen Hochlandes östlich Mossnl längs des Tigris und des sogenannten Tur
Abdin westwärts über den Euphrat hinüber bis nach Nordsyrien hineinzieht, eine
Zone, die so schmal ist, daß sie öfters fast vollkommen von der „Wüste" unterbrochen
wird, war der ganze nördliche und nordwestliche Teil Mesopotamiens, dazu das
ganze im engeren Sinne assyrische Gebiet, d. h. das Dreieck zwischen dem Tigris,
den: untern Sab und dem Hochlande, schon um das Jahr 1090 v. Chr. so dicht be
völkert, wie wahrscheinlich nur uoch ganz wenige Teile der damals besiedelten
Welt. Nur das Alluvialland am Unterlauf der großen Ströme mag schon zu jener
Zeit eine noch stärkere Bevölkerung ernährt haben.
Bei dem Zustande, in den: sich Mesopotamien nach Menschenzahl, Reichtum
und Anbau heutigestags befindet, wäre es sowohl für den Besitzer, der es verteidigt,
als auch für den Prätendenten, der es erstrebt, eine Torheit, so viel Blut um das
Land zu vergießen, denn es ist zu mehr als neun Zehnteln eine Wüste, in der nichts
wächst außer dürrem Steppenkraut, uud wo noch keine Viertelmillion seßhafter
Einwohner und einige Zehntausende armseliger Beduinen leben. Und dennoch
bedürste es auch heute keiner weiteren Veränderung, als der politischen Sicherheit
für den Ackerbauer, damit der Pflug wiederum wie vor 1000 und 2000 und wohl
auch 3000 und 4000 Jahren über die tiefgründige braune Ackererde geht und