17. Der Löß im nördlichen China.
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gestattet. Nicht ohne Bedauern verließ ich die Lößlandschaften an dem Paß über
dem Tsing-ling-shan, obwohl ich nun Gegenden betrat, wo jeder Schritt die geo-
logische Betrachtung des Grundgebirges ermöglichte. Besonders eigentümlich
gestalten sich die Bilder, wo viele Schluchten zusammenkommen und Lößpfeiler
von mehreren hundert Fuß Höhe den Raum zwischen ihren beiden Enden einneh-
men, nach jeder Seite sich abterrassierend, und schließlich in einen spitzwinkeligen
Grat auslaufend, der an seinem letzten Ende sich noch in einzelne Trümmer
auflöst. Da bieten sich Formen von Burgen, Kastellen, krenelierten Wallen,
Türmen und Obelisken in mannigfaltiger Gmppierung (f. Fig.). An einer anderen
Stelle geht man in einem tief zwischen Lößwänden eingeschnittenen Hohlweg.
Überrascht sieht man in der Seite eine Öffnung angebracht, um das bei Regen
sich sammelnde Wasser abzuleiten, ein, wie man glauben sollte, in einem Hohlweg
zwischen 100 Fuß hohen Wänden gewachsenen Bodens aussichtsloses Beginnen.
Und doch fließt das Wasser ab. Mit Verwunderung gewahren wir, daß die eine
Seite des Hohlweges nur eine natürliche, freistehende Erdmaner und die Öffnung
darin ein Fenster ist, der Hohlweg aber dicht neben einem senkrechten, in gähnende
Tiefe hinabreichenden Abbruch eingeschnitten ist. Wir blicken hinab in ein Chaos
von Wildnis, wo tausend senkrechte Vorsprünge von einfarbig gelbem Löß ebenso-
viele unzugängliche Schluchten trennen, (f. Fig.). Gehen wir weiter in dem Hohl-
weg, so führt er vielleicht steil hinab oder hinauf, so daß die der Passagiere und des
Gepäckes entledigten Wagen nur mit der größten Anstrengung befördert werden
können. Plötzlich endigen die Wände zu beiden Seiten; die Straße betritt einen
engen Grat, auf dem wenig Raum außer ihr ist, und zu beiden Seiten gähnen die
gelben Abgründe in endloser Verzweigung. Wo der Grat wieder ansteigt, bietet
sich vielleicht die ebene Fläche einer Terrasse für die Straße. Sie wird von ihr be-
nutzt. Aber bald sind wir wieder in einem Hohlweg, und aus diesem treten wir
abermals hinaus in ein Schluchtensystem, das vielleicht mit dem vorigen gar keinen
Zusammenhang hat. Die Straße muß sich einen Weg in ihm hinab suchen, um seinen
Boden zu erreichen und jenseits wieder in anderen Schluchten hinaufzusteigen.
Mit bewundernswürdigem Geschick haben es die Chinesen verstanden, in dem
Gewirr von Schluchten, das jedem Versuch zu einer anschaulichen Darstellung
trotzt, die geeignetsten Wege für ihre Verkehrsstraßen zu finden. Am leichtesten
ist in Lößgebieten die Kommunikation auf dem ebenen Grunde vormaliger See-
decken, wie desjenigen von Ping-yang-fu. Auch wenn man von dort aus auf einer
Rippe, welche zwei seitlich einmündende Schluchtensysteme trennt, nach dem
Rand des Beckens ansteigt, sind die Schwierigkeiten leicht zu überwinden,
da die Steigung im allgemeinen gering ist. Aber außerordentlich groß sind
sie dann, wenn der Weg die Aufgabe hat, quer über die einzelnen Rippen hin
wegzuführen, wie sie der großen Hauptverkehrsstraße von Shansi über den be-
rüchtigten Hansin-ling-Paß und in vielen anderen Fallen gestellt ist.
Solche Straßen müssen fortdauernd verändert werden. In weit höherem Grade
jedoch werden die Schwierigkeiten hervortreten, wenn es sich einmal darum