Full text: Bilder aus der allgemeinen Geographie und aus den aussereuropäischen Erdteilen (Bd. 1)

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Treten wir hinüber in die kalten Zonen, in diejenigen Räume der 
Erde, welche sich von den Polarkreisen an bis zu den Polen erstrecken. 
Nur die nördliche umschließt bekannte Landstriche, die südliche ent— 
hält nach den bisherigen Entdeckungen das südliche Eismeer, einige 
Inseln und ein noch ununtersuchtes Festland. Aber auch die Länder 
der nördlichen kalten Zone sind fast von ewigem Eise umgeben. Zwar 
bescheint über den Polarkreis hinaus die Sonne ein halbes Jahr lang 
die Gegenden Lapplands, des nördlichen Sibiriens und Amerikas, aber 
ihr höchster Stand beträgt nur 232) Grad. Dann sinkt sie wieder 
und verschwindet endlich völlig, und Nacht bedeckt im andern Halbjahre 
die Gefilde, die nur mitunter von dem prachtvollen Nordlichte erhellt 
werden. Deshalb ist auch die Temperatur meistens 1 bis 2 Grad 
unter dem Gefrierpunkte. Eisberge, durch Kanäle von mäßiger Breite 
geschieden, oft meilenweit ausgedehnt, in einer Höhe von 50 bis 80m, 
ümgeben das nördliche Festland. Bald sind sie regellos gleich Gletscher— 
herden gelagert, bald treiben sie, von den Winden und unterseeischen 
Strömungen bewegt, unstät und rastlos umher und bewirken dadurch 
ein Farben- und Lichterspiel, welches ihre eigentümlichen Schichtungs— 
verhältnisse, wie die schauerliche Schönheit ihrer Formen nur auf— 
fallender hervorhebt. Wunderbar sind die Luftspiegelungen in dieser 
einsamen Seeregion. Sie treten am häufigsten am Mittage ein und 
zeigen dem Beobachter Fahrzeuge, die eine halbe Meile weit von ihm 
entfernt liegen, ganz in der Luft schwebend oder gar in umgekehrter 
Stellung, die Spitzen der Masten nach unten und den Kiel nach oben 
gewendet. Der felsige Boden des nördlichen Festlandes, dem nur eine 
Wärme von 309 R. wochenlang zuteil wird, während in der übrigen 
Jahreszeit eine Kälte bis zu 339 R. ihn erstarrt, erzeugt außer einigen 
krüppelhaften Sträuchern nur Moose und Flechten. 
Im Süden gedeihen noch die Birken, sowie Roggen, Gerste und 
Kartoffeln. Dort lebt der Grönländer in seiner Erdhütte, und das 
Renntier bildet seinen ganzen Reichtum. Der Robbenfang, die Jagd 
auf Eisbären und der Fischfang sind die Beschäftigungen der Bewohner. 
Im nördlichen Sibirien wird der Zobel gejagt, dessen Fell sehr geschätzt 
ist. Unter der ungeheuren Menge von Seevögel ist besonders die Eider— 
gans zu nennen, die ihr Nest an die steilsten Klippen hängt, wohin die 
Jäger nur mit Lebensgefahr klettern, um das wertvolle Gefieder dieser 
Vögel zu erhalten. Der Hund ist auch hier noch der treue Gefährte 
des Menschen, der den Eskimo im wohlbespannten Schlitten über die 
Schneefläche hinzieht. Mächtige Walfische, begleitet von unzähligen 
Heringen, Schwert- und Sägefische, Meerfischottern und Seelöwen be— 
leben die eisigen Fluten, und manches Schiff aus anderen Zonen er— 
scheint hier zum Fange dieser Tiere. Ohne Zweifel aber birgt das 
Meer noch ungesehene Bewohner in seiner Tiefe, die des ewigen Eises 
wegen stets verborgen bleiben werden. 
Biernatzki. 
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